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Goldmacher (German Edition)

Goldmacher (German Edition)

Titel: Goldmacher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela Stelly
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Prolog war ihm noch aus der Feder geflossen, doch nun galt es, aus dem Goldwunder zu Anfang die fortlaufende Verkettung von prophezeiten, versprochenen, angekündigten und beschworenen Wundern aufzuzeigen. Und wie ihr Eintreffen nicht nur von einigen wenigen Verblendeten, nein, von vielen in naher Zukunft, später sogar täglich erwartet worden war.
    Selbst jene, die rechnen konnten, so Anton zu Hans-Ulrich, die Männer aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, vor allem aber auch das Militär, hätten wie unter einem Wunderbann, wie von einem Wundertrank besoffen, wie im Wunderrausch gehandelt: »Sie alle haben von Beginn an von dem gigantischen Eroberungsplan gewusst, sie müssen für seine Umsetzung mit einem ebenso gigantischen Wunder gerechnet haben.«
    »Klingt plausibel«, meinte Hans-Ulrich trocken. Er war nun öfter bei Anton zu Besuch, brachte Päckchen aus der Kantine vorbei und hörte ihm zu, wenn Anton über seine Schwierigkeiten bei der Suche nach Quellen klagte.
    »Ich denk darüber nach«, sagte Hans-Ulrich jedes Mal.
    Wie Anton arbeitete auch er noch bei den Engländern, aber nicht mehr in der Kantine als Tellerwäscher, er war jetzt Fahrer. Obwohl er nur in einem ziemlich klapprigen Lieferwagen gebrauchte Wäsche in die Wäscherei fuhr und gewaschene abholte, Kantinenbestände, Heizmaterial und Putzmittel transportierte, studierte er für diese neue Aufgabe, die ein erster Schritt auf der Karriereleiter sei, wie er ironisch anmerkte, die feineren Manieren. Er schaute sie sich bei den höheren englischen Militärs ab und ließ sich sogar eine Locke in der Art eines englischen Dandys in die Stirn wachsen. Doch das hinderte ihn nicht daran, weiter Lebensmittel zu organisieren, wie er seine Diebereien nannte. Jetzt im Winter hatte er einen Sack Kohlen organisiert und in den Keller von Onkel Alfred geschleppt.
    »Kannst dich auf die Kumpels verlassen.« Hans-Ulrich war stolz gewesen.
    Dann brachte er eines Tages die Bibel vorbei. Er legte sie mit einer feierlichen Miene auf den Tisch, gratulierte Anton zu seinem Glück, jetzt nicht nur irgendeine Quelle, sondern die Urquelle studieren zu können, setzte sich und zündete einen Zigarettenstummel an. Dann paffte er ein paar Züge, zog eine Miniflasche Brandy aus seiner Jackentasche, nahm einen Zug zur Feier des Tages, wie er sagte, und bot Anton auch einen Schluck aus der Flasche an, doch der lehnte ab.
    »Pack sie aus«, forderte er Anton auf. Die Bibel, wie Hans-Ulrich sein Geschenk nannte, war in Sackleinen eingewickelt und mit einem Bindfaden doppelt verschnürt.
    »Den Bindfaden brauch ich aber noch«, mahnte er, als er sah, wie ungeschickt Anton versuchte, die mehrfache Verknotung zu lösen, und nach einer Schere suchte.
    »Ist ein wirkliches Geheimdokument, das siehst du schon an den vielen Knoten«, klärte Hans-Ulrich nun Anton auf, »du musst es gut verstecken, auch vor deiner Leni«, meinte er, während Anton noch immer die Schnüre entknotete.
    »Kannst dich auf die Kumpel verlassen«, sagte er wieder, drückte den Zigarettenstummel aus und zündete sich nun eine neue Zigarette an, zur Feier des Tages, nahm noch einen Schluck Brandy, verschluckte sich, hustete heftig, zog an der Zigarette und blies den Rauch in die Luft. Er wirkte ungewöhnlich erregt, Anton hatte Hans-Ulrich bisher immer nur nahezu unterkühlt erlebt.
    Endlich hielt er sie in Händen, die Bibel, die Urquelle. Als er die Inschrift auf dem Bucheinband las, legte Anton das Buch in einem Reflex zurück auf den Tisch: »Das war bei uns zu Hause verboten«, erklärte er Hans-Ulrich seine spontane Scheu.
    »Jetzt ist es für uns alle verboten«, erwiderte Hans-Ulrich mit dem spöttisch amüsierten Zug um den Mund, »aber hier drinnen, zwischen diesen beiden Buchdeckeln, findest du, was du brauchst, die Gründungslegende!«, sagte er und sah Anton stolz an, nahm das umfangreiche Werk souverän in die Hand und blätterte betont lässig darin, in »Mein Kampf« von Adolf Hitler.
    »Gründungslegende?«, wiederholte Anton und betrachtete die goldene Schriftprägung.
    Hans-Ulrich nickte: »War schließlich die Bibel der Bewegung. Die musst du studieren, wenn du aufzeigen willst, dass die großdeutsche Volksgemeinde dem Adolf wie einem Wunderprediger gefolgt ist. Aber lass dich nicht dabei erwischen, sonst wirst du doch noch entlaust!« Hans-Ulrich lachte leise sein meckerndes Lachen und paffte den Zigarettenrauch mehrmals hintereinander in die Luft. »Ich hab das Werk des Führers von den

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