Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goldmacher (German Edition)

Goldmacher (German Edition)

Titel: Goldmacher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela Stelly
Vom Netzwerk:
unserer kleinen Zeitung vergrößern, wurde er nicht müde zu wiederholen.
    »Wir waren die Ersten und wir müssen die Ersten bleiben, sonst fischen uns die anderen die Leser vor der Nase weg«, hatte er gemahnt, »das kannste mir glauben, da kannste dich auf Spürnase Hacker verlassen!«
    Die Hacker’sche Spürnase hatte Hans-Ulrich auch schon beschworen, als Officer Simon nach kurzer Bewährungsprobe Anton im Auftrag der englischen Besatzung die Lizenz für die erste von Deutschen für Deutsche gemachte Zeitung angeboten hatte. Für eine Wochenausgabe. Auch da hatte Anton schon gezögert. Er habe sich durch seinen Chefredakteursposten durchaus seinen Broterwerb gesichert, aber die Arbeit am Untergang sei liegen geblieben, klagte er Hans-Ulrich. Der fühlte sich mittlerweile zum Zeitungsmacher berufen und war nun angesichts Antons zögerlicher Haltung verzweifelt. Schließlich bot er ihm an, ein Archiv mit authentischem Material eigens für den Untergang aufzubauen, nur um Anton zu bewegen, sich nicht die größte Chance seines Lebens entgehen zu lassen.
    Es war dann aber doch wieder Officer Simon gewesen, der Anton überzeugt hatte. Der Officer hatte dieses Mal nicht wie bei der vorausgegangenen Bewährungsprobe unter englischer Aufsicht auf die Notwendigkeit eines Broterwerbs hingewiesen, er hatte Siegfried, den Drachentöter bemüht. Wie Siegfried müsse Anton, wo immer der vielköpfige, nationalsozialistische, antidemokratische Geist, dieses Monster, eins seiner Häupter erhebe, es abschlagen. Alle verdeckten Spuren, jedes Fortleben des erst kürzlich besiegten monströsen Geistes müsse er aufspüren, aufdecken und vernichten.
    Das Heldenhafte, Heroische, das Officer Simon der journalistischen Tätigkeit zuschrieb, hatte seine Wirkung nicht verfehlt, so war sie Anton nun sinnvoll genug erschienen, um ein weiteres Mal seine Arbeit am Untergang aufzuschieben, ging es doch, anders als in seiner Chronik, die Licht ins Dunkel der dunklen Vergangenheit bringen sollte, nun um die Gegenwart. Und die Gegenwart war ja tatsächlich unaufschiebbar.
    Hans-Ulrich hatte aufgeatmet und ihm zum jüngsten Lizenzinhaber sämtlicher Besatzungszonen des ehemaligen Dritten Reichs gratuliert. Daraufhin gratulierte Anton ihm zum jüngsten Zeitungsmacher sämtlicher Besatzungszonen des ehemaligen Dritten Reichs. Was Hans-Ulrich sogleich zurückgewiesen hatte: »Ich bin der Hund, du der Herr.«
    Anton hatte ihn damals zweifelnd angeschaut, ohne Hans-Ulrich und sein Talent, geheime Informationen und brisante Dokumente zu beschaffen, hätte er den Laden dichtmachen können, wie er Leni gegenüber schon mal sagte. Hans-Ulrich war schnell unersetzbar geworden.
    »Unsere Leser kaufen unsere Zeitung als Klopapier, nicht, um sie zu lesen«, hatte Anton den Erfolg, der ihnen gleich mit den ersten Ausgaben beschieden gewesen war, erklärt. Auch, um die Euphorie zu dämpfen.
    Aber die Auflage war dann trotz steigenden Papierangebots stabil geblieben, die Leser wollten sich offensichtlich mit dem Zeitungspapier nicht nur ihren Hintern abwischen, sie wollten lesen, was darauf berichtet wurde.
    »Weil unser Chef mit spitzer Feder die bösen Buben aufspießt«, war Hans-Ulrich überzeugt, »und weil wir aktuell sind.«
    Aktualität war von Anfang an das Leitmotiv. In Anton brach jedoch, trotz der von Officer Simon ausgemachten Notwendigkeit, gegenwärtig zu sein, von Zeit zu Zeit Unmut über dieses erfolgreiche Leitmotiv aus, dann stellte er sich vor, wie er eines Tages seinen Kopf in den Bauch der Geschichte rammen würde und wie die Geschichte dann im Untergang alles Unbekannte, Ungesagte, Ungenannte, was darin lagerte, auskotzen, ihm preisgeben würde.
    Er hatte sein persönliches Leitmotiv an das journalistische Tagesgeschäft, das er betrieb, an das Drachentöten, wie Officer Simon es genannt hatte, angepasst: Sagen, was ist. Das gefiel ihm auch, ja, er entwickelte eine Leidenschaft dafür. Und er lernte es, gezielt zu formulieren, es fand sich auch reichlich Gelegenheit dazu, Drachenköpfe abzuschlagen, immer neue wuchsen nach. So manchen Politiker drängte es schon wieder, sich vor den einen oder anderen dreckigen Karren spannen zu lassen, wie es so manchen, der nicht sauber war, in die Politik drängte. Es wurde geschummelt, betrogen und vertuscht wie eh und je, alte Seilschaften waren wieder in Betrieb genommen worden, neue bildeten sich.
    Anton entwickelte immer größeres Gespür dafür, Mauscheleien zu erkennen und Mogelpackungen für

Weitere Kostenlose Bücher