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Goldmacher (German Edition)

Goldmacher (German Edition)

Titel: Goldmacher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela Stelly
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seine Leser aufzuschnüren. Die nahmen in stetig wachsender Zahl neugierig, applaudierend, erleichtert, enthusiastisch, aber auch schadenfroh oder naserümpfend daran teil. Es gab erste Prozesse und mächtige Feinde, für Anton waren sie Feinde der jungen Demokratie, die noch jünger war als er.
    Am Ende des Gangs angekommen, öffnete er nun die Tür zu seinem Vorzimmer, und gleich leuchtete ihm Lenis rotes Haar entgegen. Sie unterbrach ihr Schreibmaschinenstakkato.
    »Unser Verpackungsspezialist wartet auf dich«, sagte sie und wies auf die Tür zu Antons Zimmer. Sie erfand gern Beinamen für Hans-Ulrich. Wegen seiner modischen Versnobtheiten nannte sie ihn schon mal »unser Geck« oder »unser Image-Macher«, als er wochenlang einen amerikanischen Werbeguru zitierte, oder wie bereits seit Antons Vortrag im Gemeindehaus »unser Verpackungsspezialist«. Der Aufbau der Dokumentation, die Hans-Ulrich mit der Aura eines Geheimdienstarchivs umgab, brachte ihm bei ihr den Spitznamen »unser Agent« ein. Von Anfang an gingen Leni und Hans-Ulrich, wie von Hans-Ulrich vorausgesagt, miteinander um wie Hund und Katze.
    »Er ist eitel und ehrgeizig, es würde mich nicht wundern, wenn er hier bald die Puppen nach seiner Pfeife tanzen lassen will, du musst aufpassen!«, hatte sie Anton gleich nach dem Einzug ins Hamburger Pressehaus gewarnt.
    »Ich verlass mich auf dich«, hatte Anton mit ironischem Schalk gesagt, aber es durchaus gemeint.
    »Und was will unser Verpackungsspezialist heute von mir?«, fragte Anton jetzt und hängte Mantel und Schal an den Garderobenhaken.
    »Er hat dir aus London einen Schirm und eine neue schwarze Aktentasche mitgebracht«, antwortete Leni lachend, »damit du auf unsere Anzeigenkunden hanseatischer wirkst.«
    Anton betrat sein Büro, wo Hans-Ulrich, die Beine auf dem Tisch, in einer englischen Zeitung las.
    Hans-Ulrich hatte, seitdem er Geschäftsführer war, vieles an seinem äußeren Erscheinungsbild verändert, auch seinen Haarschnitt. Fiel ihm unter den Engländern in Anlehnung an den englischen Dandy noch eine einzelne Locke seines rötlich blonden Haars in die Stirn, so trug er jetzt, als Ausdruck seiner Bewunderung für die amerikanischen Werbestrategen, die er ausgiebig studierte und deren Strategien in seine Werbekonzepte Eingang fanden, einen amerikanischen Bürstenhaarschnitt. Auch sonst hatte er mit dem Umzug nach Hamburg von einem Tag zum anderen einen kompletten Stilwandel vollzogen: Er, der sich bisher aus einer Art Familienfundus von Vätern und Onkeln bedient zu haben schien, kleidete sich von nun an nur noch in Anzug mit Weste, sprach, außer mit Anton, ein leicht manieriertes Hochdeutsch, strebte gezielt die Mitgliedschaft im Anglo-German-Club und in anderen hanseatischen Einrichtungen an, ging zur Maniküre und rauchte Zigarren. Beibehalten hatte er den spöttisch amüsierten Zug um den Mund, mit dem er jetzt Anton begrüßte.
    »Dein Feuerkätzchen hat mir mal wieder seine Krallen gezeigt, sie wollte mich nicht in Abwesenheit des Chefs ins Allerheiligste hineinlassen, als wäre ich ein Schnüffler«, er faltete die Zeitung zusammen, entnahm der Mappe, die er bei sich trug, ein Schriftstück und legte es vor Anton auf den Schreibtisch.
    »Ich brauche deine Zustimmung.«
    »Du wirst es nie verstehen, weil du es nicht verstehen willst«, seufzte Anton, nachdem er das Schreiben überflogen hatte, »ich kann doch nicht mit deinen Anzeigenkunden Hamburger Hummersuppe löffeln!« Er gab Hans-Ulrich das Schriftstück zurück.
    »Es sind nicht meine Anzeigenkunden, sondern unsere, und wenn ich es ganz genau ausdrücken will, muss ich sagen, es sind deine Anzeigenkunden!«, klärte ihn Hans-Ulrich geduldig auf.
    »Die Redaktion und das Anzeigengeschäft müssen getrennt bleiben, geht das nicht in deinen Schädel?« Anton tippte gegen seine Stirn.
    »Nein«, sagte Hans-Ulrich entschieden und legte das Schreiben erneut vor Anton auf den Schreibtisch, er wollte nicht zulassen, dass Anton wieder einmal einen Strich durch seine Rechnung machte, durch seine Erfolgskalkulation. Denn so wie Anton hinter den Spitzbuben her war wie der Teufel hinter den Seelen, das war Hans-Ulrichs Lieblingsbild für Antons Tagesgeschäft, so richtete sich Hans-Ulrichs Blick starr auf den in Zahlen messbaren Erfolg. Der zeigte sich zuallererst in der Höhe der Auflage, davon hingen die Preise für die Anzeigen ab. Und die tragende Säule für die Höhe der Auflage und damit für die Anzeigenpreise und damit für

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