Goldmacher (German Edition)
Handlanger für Hubert Münzer!«, brach es aus Franz heraus.
Hubert beugte sich leicht zu ihm hinüber und sah ihn nun scheinbar besorgt von der Seite an: »Du solltest dich nicht mit Rosi streiten, Franz, das bekommt dir nicht.«
»Ich glaube, du musst hier aussteigen, ich muss einen Parkplatz suchen«, sagte Franz, jetzt nur noch mühsam beherrscht, verlangsamte und hielt an. Der Chauffeur stoppte mit dem Mercedes kurz hinter ihm, sprang aus dem Auto und riss Hubert die Wagentür auf.
»Vergiss meinen Kredit nicht!«, mahnte er Franz noch, bevor er ausstieg. Franz fluchte, dieses Mal so laut, dass es der Vater hören konnte.
Er parkte am Viktualienmarkt, bestellte an einem der Stände eine Leberkässemmel, dazu ein kleines Helles und war umgehend in einer besseren Laune. Also bestellte er sich beides gleich noch einmal. Kurz darauf betrat er das Bankgebäude, es hatte den Krieg überstanden.
Er stieg die breiten Stufen hinauf. Als Kind und später als Jugendlicher kannte er nur diesen etwas pompösen Aufgang, denn die Räume des Vaters, das große Büro mit dem Vorzimmer, lagen im Obergeschoss. Sein Zimmer jedoch befand sich im zweiten Stock, er erreichte es über eine Seitentreppe. Es sei nicht größer als ein Schrank, hatte er es dem Vater beschrieben, ihm jedoch prophezeit, in zehn Jahren werde er hinter dem Schreibtisch im Direktorenbüro sitzen, dort, wo der Senior einmal residiert hatte. Er hieß ja von Anfang an »der Junior«.
Franz betrat sein Zimmer, öffnete den Büroschrank und schaute in den Spiegel an der Innentür, er strich sich durchs volle schwarze Haar, zog die Krawatte aus seiner Sakkotasche, stellte den Hemdkragen auf, legte die Krawatte wie einen Schal herum und probierte, die beiden unterschiedlichen Enden zu einem kunstvollen Knoten miteinander zu verschlingen, der seine gelungene Form in der Mitte zwischen den beiden Spitzen des Hemdkragens finden sollte. Er streckte unwillkürlich das Kinn vor, dann sah er sich in die Augen, hielt inne und schwor, nicht länger für den Vater unentgeltlich Außenposten in der Bank zu sein, schon morgen würde er seine Beteiligung einfordern.
Es klopfte, Franz rief: »Herein!«, rückte den Krawattenknoten zurecht und schloss die Schranktür.
Ein Bote trat ins Zimmer und überreichte ihm ein großes braunes Kuvert.
»Vom Senior«, sagte er respektvoll, grüßte und ging wieder.
Franz wog das Kuvert eine ganze Weile in der Hand, schlitzte es dann mit einem Brieföffner auf.
Er prüfte zuerst die Höhe des Kredits, pfiff danach leise durch die Zähne wie einer, der einen plötzlichen Zahnschmerz verspürt. Dann studierte er die Objektbeschreibung, eine Beteiligung an mehreren Brauereien, und pfiff wieder leise durch die Zähne, dieses Mal anerkennend, ein wenig voller Neid.
Vor ein paar Wochen hatte der Vater doziert, dass die Leut nach dem Krieg zuerst was zu essen gebraucht hätten, dann ein Dach über dem Kopf und jetzt bräuchten sie was G’scheit’s zu trinken. Sollte er den Alten für seinen Unternehmergeist bewundern oder hassen?
Franz griff zum Telefon, er rief seinen Vorgesetzten an und ließ sich von der Sekretärin zwei Termine geben, einen mit dem Chef, den anderen mit ihr, der Sekretärin.
Nach der Arbeit traf er sich mit ihr in einem Café in Schwabing, in das sich niemals Personal aus der Bank, Freunde oder Bekannte verirren würden.
Er bestellte für sie einen Mokka, für sich ein kleines Helles und sagte, seine Frau wisse von ihrer Affäre. Nicht von ihr als Person, sondern davon, dass er ein Verhältnis habe, fügte er schnell hinzu, als er ihr erschrockenes Gesicht sah. Daraufhin musste er gar nichts mehr erklären. Er streichelte ihre Hand, kaufte ihr eine Schachtel Pralinen und schenkte sie ihr zum Abschied.
Am Abend ließ ihn Rosi mit den Kindern allein zu Abend essen. Später verriegelte sie wieder die Tür zu ihrem gemeinsamen Schlafzimmer. Dieses Mal nächtigte er auf dem Sofa. Als sich am darauffolgenden Abend dasselbe wiederholte, stieg er nachts kurzerhand durchs Fenster ins Schlafzimmer ein. Rosi erwachte erst, als er sich über sie beugte, er begehrte sie leidenschaftlich. Er werde sie nie wieder betrügen, versprach er.
5.
Anton wischte mit dem Ärmel seines Popelinemantels die Nässe vom braunen Leder seiner alten Aktentasche, er hatte sie beim Spurt durch den Aprilschauer über den Kopf gehalten. Dann durchquerte er die hohe, düstere Eingangshalle des Pressehauses in der Hamburger Innenstadt und zögerte
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