Goldmacher (German Edition)
die Expansion des Unternehmens war Anton.
»Je mehr Anzeigen wir haben, umso umfangreicher der redaktionelle Teil«, versuchte Hans-Ulrich nun, Anton zu locken und ihn doch noch für einen Abend mit einem ihrer größten Kunden, der den Wunsch geäußert hatte, den bemerkenswerten Herrn Bluhm einmal persönlich kennenzulernen, zu gewinnen.
»Scher dich raus!«, rief Anton und wies mit ausgestrecktem Arm und Zeigefinger despotisch zur Tür, hielt die Pose aber nur kurze Zeit durch, ließ sich dann in seinen Schreibtischstuhl fallen.
»Ich würde es ja machen, aber es geht nicht. Und frag mich jetzt nicht wieder, warum es nicht geht. Bitte!«
»Du bist der Herr«, sagte Hans-Ulrich resigniert.
»Und du der Hund«, antwortete Anton.
»Korrekt«, sagte Hans-Ulrich, packte seine Sachen zusammen und verließ Antons Zimmer.
Du bist der Herr und ich der Hund, auf diese Definition ihrer Arbeitsbeziehung hatte sich Hans-Ulrich festgelegt, als er von Anton den großen Knochen bekommen hatte und tatsächlich, wie ursprünglich vereinbart, alles organisierte, vor allem Informationen, Dokumente und Material, die außer ihm wohl niemand anderer hätte organisieren können, er hatte die Kontakte, Anton nicht. Treu wie ein Hund lieferte er sie ihm. Sie trugen viel zum Erfolg bei, das war Hans-Ulrich bewusst. Zum Erfolg wurden sie aber nur durch Antons spitze Feder, seinen Scharfblick, seine durch nichts und niemanden zu korrumpierende deutliche Sprache, das war ihm auch bewusst. Als man begann, innerhalb und auch außerhalb der Redaktion von ihm als von der grauen Eminenz zu sprechen, war es Hans-Ulrich, der Anton die Sache mit dem Schatten erklärte. Der Schatten, das wäre sein, Hans-Ulrich Hackers, Territorium. Es gebe Leute, die nicht im Schatten stehen wollten, hatte er gesagt, aber zu denen zähle er nicht, im Gegenteil, nur im Schatten fühle er sich wohl und an seinem Platz. Wie ein Hund.
»Und?«, fragte Leni, als Hans-Ulrich das Vorzimmer durchquerte, erhielt jedoch nur einen verärgerten Blick und keine Antwort.
»Habe ich Ihnen doch gleich gesagt«, rief sie ihm hinterher. Seit dem Umzug bestand Hans-Ulrich, weil er nun Geschäftsführer eines stetig wachsenden Unternehmens mit einer ebenso stetig wachsenden Redaktion sei, auf dem Sie.
Leni klopfte und trat in Antons Zimmer.
Es war ein Eckzimmer mit zwei Fensterfronten. Die eine gab die Sicht frei auf einen großen, nun schon seit Langem von den Trümmern befreiten leeren Platz, der jetzt als mäßig genutzter Parkplatz diente, noch konnten sich nur wenige ein Auto leisten. Dahinter sah man in der Ferne das Wahrzeichen der Hansestadt, den Turm der Michaeliskirche, kurz Michel genannt. Auf der anderen Seite blickte man auf einige wenige ältere Geschäftshäuser des sonst fast völlig von Bomben zerstörten Geschäftsviertels in der Nähe des Freihafens.
Leni legte die Post und einen Stapel aktueller Tageszeitungen auf Antons Schreibtisch, informierte ihn über Termine und Anrufe und über die Zugverbindungen nach Berlin.
»So ernst war das nun auch wieder nicht gemeint«, sagte er.
Als er allein war, dachte er dann aber doch darüber nach, und die Vorstellung, mit Paula im Zug nach Berlin zu fahren, gefiel ihm durchaus. Vielleicht würde er sich sogar in sie verlieben, richtig verlieben. Leni rümpfte neuerdings über seine eher kürzeren Liebeleien bereits die Nase. Nicht aus Eifersucht. Sie hatte tatsächlich, nach wenigen Rückfällen in ihre alte Gewohnheit, die Nächte mit ihm zu verbringen, nicht nur als Sekretärin bei ihm Karriere gemacht, sie war auch, wie er es vorausgeahnt hatte, nein, er hatte es gewusst, seine einzige wirkliche Vertraute geworden. Und sie kümmerte sich auch um seine Wohnung und veranlasste, dass er gut versorgt wurde. An seinem dreißigsten Geburtstag fragte sie ihn jedoch, ob er nicht endlich heiraten wolle. Keine Zeit, hatte er geantwortet. Und sie habe auch keine Zeit zum Heiraten, hatte er gleich hinzugefügt.
Seine Gedanken kehrten zu Paula zurück, die ihn lockte. Mit ihrem Schwung und wie sie ihm, abenteuerlustig blinzelnd, tief in die Augen sah. Er wäre gerne mit ihr in den Süden gereist, weiter als bis nach München war er ja noch nie gekommen und Italien war jetzt sehr in Mode. Warum sollte er nicht mit Paula nach Italien reisen? Das Telefon klingelte. Er nahm den Hörer auf, aber es war nicht Paula, sondern die Stimme von Judith, die ungewohnt atemlos und schnell erzählte, dass sie mit den Eltern heute Morgen
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