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Goldmacher (German Edition)

Goldmacher (German Edition)

Titel: Goldmacher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela Stelly
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zur Messe am Ostersonntag auf dem Petersplatz tragen. Auch dieses Jahr verbrachte sie Ostern mit ihrem Sohn Francesco wieder zu Hause in Trastevere, mit der Mutter und Nino, ihrem jüngeren, unverheirateten Bruder, der jetzt den Kurzwarenladen führte.
    Nino hatte das Sortiment erweitert und bot seit einiger Zeit moderne elektrische Nähmaschinen an, die in der kleinsten Wohnung Platz fanden, im Gegensatz zu den alten, die groß waren wie ein Möbelstück und mittels eines Fußpedals angetrieben werden mussten. Die Mutter mochte sich nicht so recht an die Elektrische gewöhnen, Laura hingegen nutzte den Besuch, um damit hübsche Kleider für sich und für Francesco neue Hosen und Hemden zu nähen. Und eben auch einen Rock. Dieser war ihr besonders gelungen und sie beschloss, nicht bis Ostersonntag zu warten, sie würde ihn einfach gleich anbehalten, und rief nun Francesco zu, er solle sie begleiten, damit er die Einkäufe beim Bäcker und beim Schlachter nach Hause trage.
    Sie drehte ihr volles Haar zu einem losen Knoten im Nacken, steckte ihn fest und schaute noch einmal prüfend in den Spiegel. Dreißig Jahre war sie jetzt alt, die Rundungen ihres Körpers hatten sich ausgeprägt, ohne dass sie rundlich geworden wäre. Sie lebte noch immer auf Sardinien und suchte noch immer jeden Tag die Madonna auf, um mit ihr alles zu besprechen, was ihr wichtig war, das meiste davon betraf ihren Sohn Francesco.
    In ihrem Viertel in Olbia, wo sie in der Bäckerei hinter dem Verkaufstisch den Platz ihrer Schwiegermutter eingenommen hatte, nannte man sie die schöne Witwe und wunderte sich, dass sie unverheiratet blieb. Niemand wusste von ihrem Schwur, nur die Madonna kannte ihn: Sie war als Mutter und Witwe Jungfrau und sie würde jungfräulich bleiben wie die Madonna.
    Von unten rief nun Francesco nach Laura. Sie griff ihre Handtasche, den Einkaufskorb und das Backblech und lief die schmale Treppe hinunter.
    In den ersten Jahren, wenn sie zu den Feiertagen von der Insel angereist waren, hatte Laura jedes Mal, wenn sie durch den Hausflur lief, unwillkürlich an den deutschen Soldaten gedacht: Wie sie zuerst das erstaunte Gesicht dieses Soldaten gesehen, sich überhaupt nicht erschrocken, sein Erstaunen sie vielmehr amüsiert hatte und wie sie dann im Dunkel hinter der Tür gelauscht und ihn nicht wirklich gesehen, aber gewusst hatte, wer sie so fest umklammert hielt, dass ihr die Sinne geschwunden waren.
    Im Laufe der Zeit hatte sie immer seltener an ihn gedacht, und die Bilder waren verblasst, irgendwann hatte sie die Ereignisse vergessen.
    Auch an diesem Morgen hätte sie sich nicht an das Erlebnis im Hausflur erinnert, wäre da nicht dieser Mann gewesen, der sie anstarrte, als sie auf die Straße hinaustrat. Francesco hielt ihr die Haustür auf. Sie trug nicht nur den Einkaufskorb und ihre Handtasche, sie jonglierte auch noch das Backblech mit dem frischen Apfelkuchen, den sie dem Bruder und der Mutter in den Laden bringen wollte.
    Einen Moment stand alles still, sogar ihr Herz. Er schien ihr eine Ewigkeit lang, dieser Blick über die kurze Distanz hinweg, dann schlug Laura mit großer Willensanstrengung die Augen nieder.
    »Komm«, sagte sie zu Francesco, übergab ihm den Einkaufskorb und drängte zum Bäcker.
    Sie würde ihn kein zweites Mal ansehen, diesen Fremden. Er war ein Fremder, und er sollte ein Fremder bleiben. Ein Tourist, wie es sie seit einiger Zeit häufig in Rom gab, im Zentrum, nicht in dieser Gegend. Sicherlich ein deutscher Tourist, die meisten Touristen waren deutsche Touristen. Selbst auf der Insel, wo es nur wenige gab, kamen die meisten von ihnen aus Deutschland. Es wurde viel über sie geredet, über diese deutschen Touristen, die Zimmer mieteten, Pizza und Spaghetti aßen und im Meer badeten. Niemand liebte sie besonders, viele erinnerten sich noch an sie als Soldaten. Aber jetzt kamen sie mit ihren Familien. Und gaben Geld aus. Zumindest in den Orten am Meer. Und in Rom. Nach Trastevere verirrten sie sich jedoch selten, hier gab es nichts zu besichtigen außer ein bisschen Armut. Vielleicht wollte dieser Tourist nur ein bisschen Armut besichtigen. Sie sollen reich geworden sein, diese Deutschen. Laura betrat mit Francesco die Bäckerei und stellte sich in die Schlange.
    »Mama, die Signora hat dich gefragt, was du möchtest«, hörte Laura die Stimme von Francesco neben sich.
    Sie hob zögernd ihren Kopf, sie hatte ihn die ganze Zeit gesenkt gehalten. Wegen des Fremden. Doch es fiel ihr plötzlich

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