Goldmacher (German Edition)
die Zähne pfeifen ließ, wie es früher seine Art gewesen war, und für einen Augenblick tauchte wie früher Bewunderung in seinem Blick auf.
»Wir reden nicht von alten Zeiten«, mahnte Paula schnell und ließ ihre bunten Bakelit-Armreifen klirren und fragte Veronika nach ihren Erlebnissen auf dem Petersplatz. Veronika war sich sicher, dass die Gläubigen einem historischen Ereignis beigewohnt hätten, Pius der Zwölfte sei krank und hätte bestimmt zum letzten Mal das Urbi et Orbi gesprochen.
»Das wäre sogar sehr zu hoffen«, meinte Anton trocken, »ab ins Fegefeuer mit ihm!«
Rosi erschrak und sah Anton fassungslos an. Franz hingegen schaute überrascht und fragte dann neugierig: »Warum ins Fegefeuer?«
»Die himmlischen Reinigungskolonnen werden einiges zu tun bekommen, denn ihr Stellvertreter hat eine Menge Dreck am Stecken. Paula und ich wollten uns keinesfalls dem Segen dieses Teufelsbratens aussetzen«, Anton lächelte sein schalkhaft ironisches Lächeln.
»Du hast eine recht eigenwillige Art zu scherzen«, sagte Rosi und ihre Augen funkelten vor Empörung.
Dieser Papst habe Millionen von Ermordeten übersehen, erklärte Anton unbeirrt, »und geißelt jetzt die Abbildung eines nackten Busens. Das ist kein Scherz, sondern Tatsache«.
Auf Rosis Hals bildeten sich rote Flecken: »Dein Freund scheint mir recht zynisch zu sein«, wandte sie sich an Paula und schaute dann hilfesuchend zu Franz, der schien jedoch ernsthaft über das, was Anton gesagt hatte, nachzudenken.
»Oh, nein, das ist er nicht«, widersprach Paula, »das ist ein Missverständnis, Anton ist nie zynisch, er sagt nur, was wahr ist«, sie beugte sich zu Anton, flüsterte ihm ins Ohr, stand auf, entschuldigte sich und suchte die Cabinetti auf, bei jedem Schritt klirrten die bunten Armreifen leise aneinander. Mit einem Seufzer ließ sie sich in den Sessel vor dem Toilettenspiegel fallen, strich ihren bunt geringelten Tellerrock glatt, zupfte am V-Ausschnitt ihres schwarzen Pullis und prüfte dann aufmerksam ihre Frisur. Ein Figaro hatte ihr Haar nach neuester Mode geschnitten, es drehte sich nun nach römischem Vorbild in Kringeln um Schläfen und Nacken und in die Stirn.
Sie nahm den Handspiegel von der Konsole, zog den dunklen Lidstrich nach, drehte den Lippenstift aus seiner Hülle und malte mit Schwung ihren Mund rot. Sie wäre heute Abend lieber tanzen gegangen. In eine von diesen römischen Bars, in denen eine Band spielte. Sie liebte italienische Schlager, die schnellen ebenso wie die langsamen. Sie liebte es, nach ihnen zu tanzen, dann fühlte sie sich ganz leicht. Anton würde später noch mit ihr tanzen gehen müssen.
Sie seufzte wieder und stand auf. Tanzen ist Medizin für mich, es hat mich gerettet, hatte sie Anton verraten. Wenn ich tanze, bin ich nicht mehr auf der Flucht, ich tanze mir den Boden unter die Füße. Und den Himmel über den Kopf. Anton war der Erste gewesen, mit dem sie über die wochenlange dramatische Flucht ihrer Familie reden konnte. Und mit dem sie barfuß tanzte. Ihm gefiel es, wenn sie die Schuhe einfach von den Füßen schleuderte.
Als Paula an den Tisch zurückkehrte, begannen die Kellner gerade, die Vorspeisen zu servieren.
»Wir haben fünf Töchter«, hörte Paula Franz sagen, »und bald werden wir einen Sohn bekommen.«
»Einen Sohn? Woher weißt du, dass es ein Sohn sein wird?«, fragte Paula, nur um etwas zu sagen, und setzte sich wieder auf ihren Platz.
»Weil wir uns einen Sohn wünschen«, antwortete Franz und lachte.
Zum ersten Mal an diesem Abend war er nicht mehr befangen, er sah sich inmitten seiner großen Kinderschar, das gab ihm ein sicheres Gefühl, und er war Anton, der ihn mit seinem ironischen Schalk und den verwegenen Ausfällen gegen den Papst verunsichert hatte, nicht mehr unterlegen. Franz nahm Rosis Hand und küsste sie.
»Überschaubar«, ließ sich Hans-Ulrich hören und zeigte auf die Vorspeise, die der Kellner gerade vor ihn hingestellt hatte.
»Bei uns in Bayern würde man diesen Klecks auf dem Teller winzig nennen«, meinte Franz launig und wünschte buon appetito.
»Stimmt«, sagte Anton und erzählte, wie er an seinem zehnten Geburtstag in München im Weißen Bräuhaus gleichzeitig im Himmel und in der Hölle gewesen war.
»Wie ist das denn möglich?«, fragte Franz.
»Das hat das Fräulein Mizzi damals möglich gemacht«, sagte Anton, »und ein veritabler Goldmacher! Auch so ein bayerischer Beelzebub wie euer Teufelsbraten Franz Josef, der jetzt unser
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