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Goldmacher (German Edition)

Goldmacher (German Edition)

Titel: Goldmacher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela Stelly
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aufregen. Ich kann nur wiederholen, im Gegensatz zu meiner Frau habe ich nie an Wunder geglaubt.«
    »Wirklich nicht?«, fragte Anton und begann, über den Glauben an das Wunder eines militärischen Sieges über ganz Europa zu sprechen. Er zitierte den Glauben an eine Weltherrschaft, zitierte die Eroberungspläne Hitlers, die den Militärs von Anfang an bekannt gewesen wären und puren Wunderglauben vorausgesetzt hätten, dagegen sei der Glaube seines Vaters an die industrielle Herstellung von Gold ja ein Pappenstiel gewesen! Anton wischte mit der Hand über Johanns Zeichnung. Ihm ging es nun darum, diesen Wunderglauben zu dokumentieren, durch Zeugen wie ihn, damit das ganze Ausmaß erkennbar und zur Mahnung werde, selbst in Zeiten von Umbrüchen, ja, von Zusammenbrüchen, bei Verstand zu bleiben.
    »Das Gewesene klar erkennen und damit auch das Künftige«, zitierte Anton seinen Thukydides. Er hoffte, Hubert doch noch aus der Reserve zu locken.
    Hubert dagegen hatte mit einem Zyniker, einem gefährlichen Intellektuellen gerechnet, nicht mit einem Kindskopf und naiven Romantiker, als den er Anton einschätzte.
    »Das wäre ja das reinste Wunder, das allerreinste Wunder!«, rief Hubert nun und begann zu lachen, »Ihr Glaube an die Vernunft ist ja reinster, allerreinster Wunderglaube!« Er schlug sich auf die Knie und jetzt schüttelte er sich vor Lachen, nicht zuletzt auch, weil es ihm so leicht gelungen war, Anton abzuschütteln. Er zog ein Taschentuch aus seiner Jacke, um sich sein Gesicht abzutupfen und die Nase zu schnäuzen, so sehr hatte ihn sein Lachen erhitzt.
    Anton fasste sich an die Stirn, erstaunt, ja, verwundert über den Haken, den Hubert geschlagen hatte.
    »So hat eben jeder seinen Wunderglauben«, sagte Hubert, noch immer um Fassung ringend, »so hat wohl auch jede Generation ihren Wunderglauben. Die meisten Jüngeren glauben ja an ein Wirtschaftswunder, und Sie glauben eben an die Vernunft«, sagte Hubert.
    Noch einmal begann es ihn zu schütteln, bevor er erklärte, seine Frau würde warten, er aufstand und die Tür öffnete und nach Franz rief.
    Anton war auch aufgestanden.
    »Franz will mit Ihnen auf den See, wir haben hier eine so wunderschöne Landschaft, die will Ihnen mein Sohn vorführen, morgen soll das Wetter schlecht werden.«
    Anton war noch in Gedanken mit Huberts Haken beschäftigt, er hörte kaum, was er sagte.
    »Dein neuer Freund hat amüsante Ideen«, meinte Hubert zu Franz, der, bereits fürs Segelboot gerüstet, den Wintergarten betrat. Damit verabschiedete er sich.
    »Er hat mich ausgetrickst«, gab Anton zu, als er mit Franz am späten Abend allein vor dem Kamin saß.
    Franz nickte: »Mein Vater ist eine harte Nuss, schwer zu knacken. Dir habe ich es eigentlich zugetraut.«
    Dann schwiegen sie, beobachteten, wie die Flammen um die Holzscheite züngelten, und hingen ihren Gedanken nach. Franz malte sich die Reaktion aus, wenn er am nächsten Morgen dem Vater seine Pläne eröffnen würde. Und Anton fragte sich, ob der alte Münzer ein gewiefter Trickser und er ein Dummkopf sei oder einfach nur ein schülerhaft ehrgeiziger, doch unbegabter Epigone seines frühen Vorbildes, des großen Thukydides. Als das Feuer heruntergebrannt war, gingen sie schlafen.
    Mitten in der Nacht wachte Anton von einem Brausen und Dröhnen auf, der Wind zischte durch Tür- und Fensterspalte, ein Fensterladen schlug irgendwo laut gegen die Hauswand.
    Anton sprang aus dem Bett und schaute nach draußen in die Dunkelheit: Ein mächtiger Sturm zerzauste die Krone der hohen Buche, die in einiger Entfernung vor seinem Fenster stand, wirbelte Äste und Laub über den Hof und drückte die Büsche gegen den Boden, das ganze Haus vibrierte unter den wuchtigen Stößen der geballten Luftmassen. Er kroch zurück unter die Decke und konnte lange nicht einschlafen. Hubert Münzer und sein Lachen über die Vernunft als dem reinsten Wunderglauben ging ihm nicht aus dem Sinn. Er würde Hans-Ulrich beauftragen, vielleicht gab es Aktenkundiges über diesen Zeitzeugen, überlegte Anton, mehr aus einem Racheimpuls als aus Überzeugung.
    Am Morgen wachte er spät auf, dieses Mal durch laute Stimmen. Sie kamen aus dem Zimmer über ihm. Er lauschte und erkannte die Stimme von Franz. Sie war die lautere, die erregtere. Die von Hubert klang gelassen, sie hob selten an. Die Worte des Gesprächs verstand er nicht.
    Er stand auf und schaute wieder aus dem Fenster. Der Sturm hatte sich gelegt, es wehte aber noch immer ein starker

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