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Goldmarie auf Wolke 7

Goldmarie auf Wolke 7

Titel: Goldmarie auf Wolke 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Engelmann
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Auf einmal wurde mir warm ums Herz und ich hatte das Gefühl, nichts und niemand auf der Welt könne mir etwas anhaben. Ich sah meinen Vater auf der Bühne stehen und mir eine Kusshand zuwerfen und ich sah meine Mutter, wie sie mir zuwinkte, während mein Vater und ich im Kinderplanschbecken spielten. Ich trug meine quietschroten Schwimmflügelchen, Roxy hielt eine Waffel mit Erdbeereis in der Hand und strahlte über das ganze Gesicht. Ich glaubte plötzlich, den Duft ihres frischen Apfelparfüms riechen zu können, und wusste, ich würde gleich in ihre warmen, weichen Arme sinken. Doch stattdessen umfing mich auf einmal Dunkelheit …
    Panik erfasste mich, als ich mich wenige Sekunden später auf einer grünen Wiese wiederfand. Die Sonne schien strahlend hell, ein Meer von kunterbunten Blumen reckte ihr die Köpfchen entgegen. Über mir flatterten und zwitscherten Vögel und Schwalben kreisten hoch oben am Himmel. Es roch nach frisch gemähtem Gras, Insekten surrten und ich hatte das Gefühl, irgendwie nicht mehr ich selbst zu sein. Vorsichtig tat ich ein paar Schritte. Meine Beine und Füße fühlten sich an, als würden sie nicht zu mir gehören. Ich ballte meine Hand zur Faust, auch das war ein äußerst merkwürdiges, unwirkliches Gefühl. Von weit her hörte ich wieder dieses helle Stimmchen, das mich sirenenhaft lockte. Es rief: »Ach, schüttle mich, schüttle mich, wir Äpfel sind alle miteinander reif.« Ich folgte dem Ruf bis zu einer Lichtung, auf der ein Baum stand, dessen Äste unter dem Gewicht glänzend roter Äpfel zu ächzen schienen. Wie in Trance schüttelte ich den Baum, sodass alle Früchte herabfielen. Nachdem ich die Äpfel auf einen Haufen gelegt hatte, ging ich weiter, angelockt von einer zweiten, diesmal weitaus tieferen Stimme: »Ach zieh mich raus, zieh mich raus, sonst verbrenn ich. Ich bin schon längst ausgebacken.« Ich traute meinen Augen kaum, als ich mitten auf der Wiese einen dunkel gemauerten Backofen voller Brot sah.
    Ich tat erneut, was von mir verlangt wurde, und holte mithilfe eines hölzernen Schiebers ein Brot nach dem anderen heraus und legte es in eine große Kiste, die neben dem Ofen stand. Und nun vernahm ich eine dritte Stimme.
    Es war die Stimme meiner Mutter, die meinen Namen rief. Ich rannte, so schnell ich konnte, in die Richtung, aus der die Rufe kamen, während mir Tränen über das Gesicht liefen. Meine Muter war doch nicht verschwunden, sie rief nach mir, sie wollte mich bei sich haben! Sie liebte mich! Ich rannte, wie ich noch nie in meinem Leben gerannt war, um endlich bei ihr zu sein. Doch je schneller ich lief, desto mehr entfernte sich die Stimme, bis ich schließlich aus einer anderen Richtung ein männliches, höhnisches Lachen hörte. In das Gelächter mischte sich ein Weinen. Sofort drehte ich mich um und ging in die entgegengesetzte Richtung.
    Und dann sah ich sie.
    Doch sie war nicht allein.
    Ein schwarz gekleideter Mann hielt sie fest. Den beiden gegenüber stand eine Frau, mit dem Rücken zu mir. Sie trug ein bodenlanges silbernes Kleid, purpurfarbene Schnürstiefel und einen schwarz-weiß gemusterten Schal. Das weiße Haar war zu einem Knoten aufgedreht. Sie diskutierte heftig mit dem Mann, der den Hals meiner Mutter mit seinen in schwarze Lederhandschuhe gehüllten Hände umfasst hatte, als würde er sie jeden Moment erwürgen wollen. Ich schrie auf, woraufhin sich alle drei zu mir umdrehten. Dann hörte ich meine Mutter rufen: »Lauf, Marie, bring dich in Sicherheit! Lauf, bevor Nergal dich in seine Welt der Schatten entführt.« Nergal hielt ihr den Mund zu und dann sah ich voller Erstaunen, wie sich die Silhouette der Frau in eine weiße Taube verwandelte, die erst hoch in den Himmel hinaufflog und dann pfeilschnell auf den Dämon herabstürzte.

49.
    »Sie sieht so friedlich aus«, sagte Delba und streichelte dem Mädchen zärtlich über den Kopf. »Was glaubt Ihr? Wie lange wird dieser Schlaf andauern?«
    Die Feenkönigin zuckte die Schultern. »Wenn es nach mir ginge, so lange, bis sie alles vergessen hat, was mit ihr geschehen ist. Je länger sie in diesem Zustand ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich nach dem Aufwachen an nichts mehr erinnern kann.« Während sie dies sagte, zog sie die seidene Decke glatt, die Delba zuvor über das Mädchen ausgebreitet hatte. Dann zuckte sie zusammen: Nergal hatte ihr beim Kampf um die Mutter erhebliche Wunden zugefügt, insbesondere ihr linkes Ohr schmerzte so sehr, dass sie Mühe

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