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Goldmond

Goldmond

Titel: Goldmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Picard
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in ihrer Seele ihr keine Qual war?
    Die Leere fiel ihr ein, samtig schwarze Unendlichkeit hinterHimmel und Monden, eine Leere, an deren Horizont ein Band von Sternen das Einzige war, das das Auge hielt.
    Diese Gefühle von Freiheit, die Zartheit des Windes, der um sie herumstrich, sie durch die Unendlichkeit trug und sie festhielt, konnten nicht falsch sein. Sie waren keine Strafe, keine Folter. Der Wind half ihr, diese Grenzenlosigkeit zu erreichen und sie zu ertragen, ohne dass sich Seele und Verstand in der Weglosigkeit verloren.
    Mit einem Mal war sie sicher, dass Ronan sich irrte.
    Das Siegel ist sowohl in der Leere, in der Syth lebt, als auch hier in dieser Welt. Du kannst es nicht finden ohne einen, der das Leben beherrscht und dich hält.
    Es war, als halle die Stimme der dunkelhaarigen, zierlichen Frauengestalt über die Gipfel der Berge bis hin zu ihr, der Tochter des Menschenfürsten.
    Kein Herr des Lebens könnte es ohne einen finden, der den Nebeln gebietet. Kein Seelenherr könnte es bergen, ohne dass sein Geist ans Leben gebunden würde. Ich habe euch gewählt. Nur ihr werdet dies vollbringen können, doch einer nicht ohne den anderen.
    »Ich muss den Ältesten sprechen«, sagte sie plötzlich.
    »Warum das?«, wollte Ronan wissen. Misstrauen und Eifersucht waren in seiner Stimme zu hören.
    Sie achtete nicht weiter auf ihren Gefährten, stieß sich vom Geländer ab und ging festen Schrittes in Richtung der Tür, hinter der der Abt des Hauses der Quellen wartete.
    Hilflos sah Ronan Sanara hinterher. Er fühlte sich, als habe er versagt. Nach dem Angriff der Elben auf den Grünen Turm und seinem Spiel des alten Schlachtlieds hatte er geglaubt, Sanara sei von der Magie der Luft, die sich seit ihrer Gefangenschaft mehr und mehr in ihr ausgebreitet hatte, geheilt.
    Doch nachdem der Abt es ihm überlassen hatte, Sanara zu lehren, wie ihre Magie zu beherrschen sei, schien die grüne Kraftder Luft in ihr wieder erwacht zu sein. Ronan war selbst ein Seelenherr, und so war er imstande zu sehen, dass Sanara nicht in der Lage war, in die Nebel zu gehen, ohne dass kräftige Böen von Wind und Sturm in ihr aufkamen und die dunkle, feurige Magie in ihr durchdrangen.
    Vielleicht war er zu schwach, um eine so starke Frau zu unterrichten. Langsam stand er auf und folgte ihr durch die Flure des Klosters. Sanara war in den labyrinthartigen Gängen verschwunden, die sich teilweise durch den Berg Simalang zogen und oft in schwindelerregende Treppen oder schmale Brücken übergingen.
    Du bedauerst, dass der Heermeister ihre Magie verdarb.
    Ronan fuhr herum. Niemand war zu sehen. Der Tag schritt fort, die Schatten wurden kürzer, die Gänge waren leer; wahrscheinlich hatten sich die Shisans im Tempelraum der Purpursonne versammelt, um den Aufgang des Gestirns zu feiern.
    Es war so still, dass nicht einmal die Fackeln zu knistern schienen, die den Tunnel erhellten, der an dieser Stelle tief durch die Südflanke des Simalang führte. Ronan sah genauer zu der Ecke hin, aus der die wispernde Stimme gekommen war.
    Im tiefen Schatten einer Nische sah er eine beinahe still stehende violette Flamme. Vage konnte er in der ständig wabernden Form eine Frauengestalt wahrnehmen. Ihre Gewänder – es schienen mehrere übereinander zu sein – wehten in einem unfühlbaren Wind und lösten sich an den Rändern auf wie Nebel im ersten Morgenlicht. Nachtschwarzes Haar war zwischen den Schulterblättern lose zusammengebunden, sodass es beinahe aussah, als trage sie die Haare offen, wie es Sitte bei den Elben war.
    Ronan starrte die Gestalt an, die sich nicht rührte. Er konnte nur ahnen, wo unter den langen Haarsträhnen sich ein Gesicht befand. Nur violette Punkte, so dunkel, dass man sich unwillkürlich fragte, ob sie wirklich eine Farbe hatten, glühten dort, wo er Augen erwartete.
    »Ihr seid von Mal zu Mal deutlicher zu erkennen, Königin«, sagte er schließlich.
    Vielleicht ist es deine Anwesenheit, die mir Kraft gibt.
    »Ist das der Grund, aus dem Ihr mich aufsucht? Dass Ihr Kraft braucht? Wozu?«
    Der Geist schwieg so lange, dass Ronan fast erwartete, er würde wieder mit den Schatten verschmelzen, aus denen er geschaffen war.
    Ich weiß nicht, ob ich dir das sagen kann , äußerte sich die Gestalt schließlich .
    »Versucht es«, erwiderte Ronan mit einem leichten Lächeln.
    Es geht mir um das Siegel der Welt. Erst dachte ich, die Dunkelmagierin könnte es holen, doch dann sah ich, du warst stärker.
    Ronan schwieg überrascht.

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