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Goldmond

Goldmond

Titel: Goldmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Picard
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Blick. Immer noch waren ihre Wangen gerötet, doch sie schob trotzig das Kinn vor. »Nun denn: Wie alt seid Ihr, Fürst Norandar? Alles an Euch vermittelt mir nämlich den Eindruck, Ihr hättet ein sehr hohes Alter. Mein Volk sagt: ein elbisches Alter!«
    Telarion starrte sie überrascht an. Die Frage, ob ihre geradezu unverschämte Direktheit auf ihre Jahre als Schankmädchen zurückzuführen war oder ihr im Blute lag – oder vielleicht nur eine Folge der Feuermagie war, die sie durchdrang und aus der ihr Wesen bestand –, ging ihm durch den Sinn.
    Er wusste es nicht – doch er ertappte sich bei dem Gedanken, wie viel Freude es ihm machen würde, das herauszufinden.
    »Wir Elben besitzen die Gabe des Lebens, wie Ihr wisst, Dari«, sagte er, als er sicher war, nicht mehr laut losprusten zu müssen vor Lachen. »Alter zeigt sich bei uns nicht in faltigen Gesichtern oder grauen Haaren wie bei den Kindern des Akusu.«
    Sie betrachtete ihn mit einer Mischung aus Neugier und Nachdenklichkeit, die ihn an ein Kind erinnerte und daran, wie jung sie eigentlich war. »Ja, das wusste ich. Und Ihr, Fürst, wirkt in meinen Augen tatsächlich wie ein Mann, der gerade der Jugend entwachsen ist«, sagte sie gedankenverloren. »Wärt Ihr ein Mensch, würde ich sagen, Ihr seid keinen Tag älter als ich. Aber ich wusste, dass man einem Elb das Alter nicht ansieht. Und Euer würdevolles Benehmen, die Verantwortung, die Ihr als Heermeister und als Truchsess des Reichs innehattet, und die Selbstverständlichkeit, mit der Ihr diesen Rang einnahmt, ließ mich denken, Ihr hättet mindestens so viele Jahre gesehen wie einst mein Vater.«
    Telarion dachte nach. »Das mag sogar stimmen«, sagte er. »Siwanon Amadian war meines Wissens nach in der Mitte seines Lebens, als … ich ihn sterben sah. Er dürfte bei seinem Tod keine vierzig Sommer gesehen haben. – Wenn ich es recht bedenke: Ich war damals bereits älter als er«, fügte er hinzu.
    Sie starrte ihn an. »Älter als Siwanon? Wie alt seid Ihr?«
    »Am dritten Tag des zweiten Wintermonats werde ich einundfünfzig Winter alt.«
    Sanara starrte ihn an. »Dann seid Ihr über dreißig Jahre älter als ich. Ihr könntet fast mein Großvater sein.«
    Telarion zuckte zusammen. Einst nannte sie dich schwer von Begriff, jetzt sagt sie, du bist alt. Dabei wollten die Fürsten Tarind nicht zum König machen, weil es hieß, er sei – wie ich – zu jung dafür!
    Er runzelte die Stirn und suchte nach den passenden Worten, um sie zurechtzuweisen, ohne sie zu beleidigen. Doch ihr sprunghafter Geist war bereits zu einem anderen Gedanken gewandert.
    »Wart Ihr anwesend, als mein Vater starb? Ihr sagtet es gestern, und Ihr habt es gerade wieder angedeutet. Wart Ihr dabei?«, wollte sie wissen.
    Unwillkürlich biss Telarion die Zähne zusammen. Er war beim Tod ihres Vaters nicht nur dabei gewesen. Er hatte dazu beigetragen und empfand nun eine ähnliche Scham darüber wie über den Mord an seinem Bruder Tarind. Doch die Ehrlichkeit, mitder sie ihm begegnete, verdiente es, dass er sie mit der gleichen Aufrichtigkeit belohnte.
    »Das war ich.«
    »Und nicht nur das. Ihr vermittelt den Eindruck, als hättet Ihr dazu beigetragen«, sagte sie tonlos.
    »Ja«, gestand er nach kurzem Zögern.
    Sie nickte. »Ich verstehe.«
    »Mir fehlen die Worte, Mendari, die ausdrücken könnten, wie groß mein Schmerz ist, dass es so geschah.«
    Sie nickte erneut, sah ihn aber nicht an. »Wie starb er?«
    Telarion schluckte. Er dachte an die Verachtung, mit der er den Fürsten Amadian in kalten Sturm gehüllt hatte, und an den Hass, der ihm die Kraft gegeben hatte, dem Mann, dessen Aussehen ihn an den Syth gemahnte, das Leben zu nehmen. Und der doch bis zuletzt dieser Verachtung mit dem Selbstbewusstsein eines Mannes begegnet war, der sich seiner Unschuld sicher war.
    »Aufrecht«, sagte Telarion schließlich. »Siwanon Amadian starb erhobenen Hauptes und vergaß nie die Seinen. Damals habe ich ihn verachtet, denn ich glaubte, er habe meinen Vater Dajaram sterben lassen und beinahe auch mich. Heute weiß ich es besser.«
    Sie hielt den Kopf gesenkt, und plötzlich wusste Telarion, dass sie weinte. Es ließ sie verletzlich wirken und auf eine unbestimmte Art zerbrechlich, obwohl ihm sehr wohl klar war, dass sie sich ihrer Haut erwehren konnte.
    Unwillkürlich streckte er die Hand aus, legte die Fingerspitzen unter ihr Kinn und hob es an. »Haltet den Kopf erhoben, Mendari«, sagte er sanft. »In all meinen Wintern habe ich

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