Goldrausch in Bozen - Kriminalroman
anbietet, setze ich voraus, dass es sich nicht um Hehler- oder Schmuggelware handelt. Es ist nicht meine Angelegenheit zu prüfen, ob Gamper die einschlägigen Südtiroler Vorschriften eingehalten hat. Zu jedem Vorgang gibt es An- und Verkaufsbelege. Also, wollen Sie noch etwas zu dem Vorgang wissen?«
Feyerabend blickte unauffällig zu Fackner. Hoffentlich würde der junge Kollege nicht merken, dass sein Vorgesetzter unzureichend vorbereitet war. Natürlich hätte er die Rechtslage vor dem Besuch bei Berchtenbreiter eingehend studieren müssen. Er zückte seinen Schreibblock, in dem er die Fragen des Bozner Kollegen notiert hatte. »Wann genau und wie viel Gold haben Sie angekauft? Welche Form hatte es? Hat Gamper Ihnen noch mehr als Berggold angeboten? Was haben Sie ihm bezahlt und wie? In bar, per Scheck oder Überweisung? Hat er Ihnen etwas zur Herkunft des Goldes gesagt oder Ihnen sonstige Einzelheiten mitgeteilt?«
Berchtenbreiter schmunzelte. »Das sind allerdings viele Fragen auf einmal, Herr Kriminalhauptkommissar. Aber dank meiner ordentlichen Buchführung und meines guten Gedächtnisses werde ich sie Ihnen alle beantworten.«
Die Polizisten verfolgten die Erklärungen des Händlers mit offenem Mund. Die Zahlen, die er ihnen nannte, waren für sie unvorstellbar
Kurz danach saßen sie wieder in ihrem Streifenwagen und fuhren vom Hof. Berchtenbreiters Blicke folgten ihnen. Feyerabend schüttelte den Kopf. »Was für eine Sauerei. So einer macht ein paar Geschäfte und hat für den Rest seines Lebens ausgesorgt, und unsereins rackert sich ein Leben lang ab, und was hat man davon? Nichts!«
Fackner versuchte, seinen Vorgesetzten aufzumuntern. »Aber dafür haben wir immerhin eine Pension, oder?«
»Reden Sie keinen Unsinn. Pension, wenn ich das schon höre. Lächerlich ist das. Unsere sogenannte Pension verdient der in einer Stunde.«
Fackner nickte zustimmend. »Da haben Sie natürlich recht. Aber was machen wir jetzt? Fahren wir ins Präsidium, um die Italiener anzurufen?«
Feyerabend sah zur Uhr. »Nein, das kann warten. Erst mal essen wie bei Salvatore zu Mittag. Ich habe Hunger, dieser Stress am frühen Morgen hat mich fix und fertig gemacht. Wir werden die Kollegen heute Nachmittag anrufen. Das reicht völlig. Dann werde ich denen auch klarmachen, dass unser Einsatz keine Selbstverständlichkeit war. Ich hoffe, die wissen das zu schätzen.«
* * *
Bozen
Nachdem die Ermittlungen im Pflerschtal, nicht zuletzt wegen Baroncinis defensiver Haltung, wieder weitgehend ohne konkrete Ergebnisse geblieben waren, war Vincenzo gestern nicht mehr ins Büro, sondern direkt nach Hause gefahren. Eigentlich ging er donnerstags immer in sein Fitnessstudio, doch das traumhafte Frühsommerwetter hatte ihn für einen Lauf in die Natur gelockt. Zumal Hans bei ihrem gestrigen Telefonat ziemlich kalte und feuchte Luft aus Deutschland für Anfang der nächsten Woche vorausgesagt hatte. Bei der Gelegenheit hatten sich die beiden für morgen Mittag zum Wandern und anschließendem Grillen verabredet. Gianna hatte er eine SMS geschickt, ob sie schon heute Abend skypen könnten, und sie hatte zugesagt. Weil zudem wieder eine ruhige Nacht ohne Alpträume hinter ihm lag, betrat Vincenzo gut gelaunt die Questura.
Paolo Verdi reichte ihm am Empfang die »Dolomiten«. Es war kaum etwas von Bedeutung geschehen, und der Wetterbericht bestätigte Hans’ Prognose. Südtirol stand ein Sommerwochenende bevor. Sonne pur den ganzen Tag. Es würde noch wärmer werden als zunächst erwartet, am Samstag bis zu dreißig, am Sonntag sogar bis zu zweiunddreißig Grad. Am Montag stand ihnen ein Temperatursturz um zwanzig Grad bevor, dann würde auch die Schneefallgrenze auf eintausendfünfhundert Meter sinken. Vincenzo beschloss spontan, schon heute etwas großzügiger für den morgigen Abend einzukaufen, um abends bereits allein zu grillen. Und vorher würde er, statt ins Fitnessstudio zu gehen, wie gestern zum Auener Joch laufen. Dort lag weniger Altschnee, als er befürchtet hatte.
Vincenzo schob die Zeitung beiseite. Er dachte darüber nach, zu Baroncini zu gehen, um ihn erneut auf einen Durchsuchungsbeschluss anzusprechen. Vielleicht hatte er gestern nur einen schlechten Tag erwischt. Gäbe es wenigstens neue Verdachtsmomente gegen Kofer, hätte er bessere Argumente. Aber wenn man es rein kriminalistisch betrachtete, hatte Kofers Vernehmung eher das Gegenteil bewirkt, nämlich ihn entlastet.
Bis zum Nachmittag geschah nicht viel.
Weitere Kostenlose Bücher