Goldrausch in Bozen - Kriminalroman
gehen können, was er dann – weitere fünf Minuten später – auch tat.
Heute Morgen hatte sich Feyerabend ins System eingeloggt, noch bevor er sich den ersten Kaffee geholt hatte. Es war noch nicht einmal zehn Uhr, wegen des aktuellen Falles war er extra früher aufgestanden. Fackner war schon in den Plan eingeweiht. Er stand hinter ihm und schaute voller Bewunderung auf den Monitor. »Toll, wie schnell Sie sich in unser System einloggen können. Das werde ich nie schaffen.«
Der Kriminalhauptkommissar wusste um seine Vorbild- und Motivationsfunktion. »Keine Sorge, mein lieber Fackner, auch Sie werden irgendwann so zügig arbeiten können wie ich. Sehen Sie, hier muss ich nur ein B eingeben … so … und schon erscheinen alle Namen, die mit B anfangen, von denen wir eine Akte angelegt haben. Das sind ganz schön viele. Jaja, die Welt wird immer schlimmer, es gibt nur noch Verbrecher.«
Fackner lachte herzhaft. Für Feyerabend ein sicheres Zeichen, dass er seine Vorbildfunktion erstklassig erfüllte. »Damit wir nicht ewig scrollen müssen, gebe ich zusätzlich die Buchstaben ›erc‹ ein. Insgesamt also ›Berc‹. Das dauert einen Augenblick. Das System ist nicht ganz so schnell wie wir.«
Fackner lachte wieder. Sekunden verstrichen, und noch immer sahen sie auf dem Monitor – nichts. Der junge Kriminalobermeister blickte den Ranghöheren fragend an. »Das ist jetzt nicht so gut, oder?«
Feyerabend trommelte mit seinen Fingern sanft auf das Mousepad. »Das, Herr Kollege, bedeutet nichts anderes, als dass es keine Akte Berchtenbreiter gibt, was wiederum zu dem Schluss führt, dass es bislang noch keine polizeilichen Ermittlungen gegen ihn gegeben hat. Aber das war zu erwarten. Ich persönlich glaube auch, dass die Südtiroler Kollegen mit ihrem Verdacht falschliegen. Wie auch immer, nichtsdestotrotz werden wir dem Mann einen spontanen Besuch abstatten. Fühlen Sie sich dieser Herausforderung gewachsen? Man weiß nie, wie ein Verdächtiger reagiert, wenn er merkt, dass er verdächtig ist.«
Fackner nickte heftig. »Unbedingt. Da will ich dabei sein. Mein erster echter Einsatz. Und wenn der Mann Widerstand leistet, lassen Sie mich ran. Ich war der Beste meines Jahrgangs bei der Nahkampfausbildung.«
Feyerabend lächelte jovial. »Keine Sorge, junger Freund, Ihre Fähigkeiten werden Sie nicht brauchen. Bei uns in Donauwörth ist Widerstand gegen die Staatsgewalt eine Ausnahme. Kommen Sie, wir fahren los.«
Wenige Minuten später parkten sie ihr Dienstfahrzeug, einen Volkswagen Passat, auf dem Innenhof der Firma. Auf dem gekiesten Hof standen ein Mercedes und ein Transporter. Feyerabend analysierte die Gegebenheiten mit all seiner kriminalistischen Erfahrung. »Der Mercedes dürfte Berchtenbreiters Privatfahrzeug sein. Der Transporter dient vermutlich dem Transport der Waren, die für den Import oder Export bestimmt sind.«
»Das habe ich mir auch schon gedacht«, pflichtete ihm Fackner bei.
Feyerabend sah den jungen Kollegen mit den Nahkampfkünsten mit ernster Miene an. »Kriminalobermeister Fackner, Sie sollen lernen, nicht denken!«
»Entschuldigung.«
Am Ende des Innenhofes führte eine breite Treppe mit fünf Stufen zu einer Halle. In der Mitte der Hallenwand befand sich ein großes zweiflügliges Tor. Plötzlich schwang das Tor auf, und ein untersetzter, breitschultriger Mann trat mit energischen Schritten heraus. Er trug einen Blaumann und Sicherheitsschuhe. Das musste Hans Berchtenbreiter sein. Aus seinem Aufzug folgerte Feyerabend, dass es sich bei dem Mann um einen klassischen Arbeiter ohne akademische Ausbildung handelte. Es würde wichtig sein, sich bei der Befragung so weit wie möglich auf sein Niveau herabzulassen, um nicht arrogant zu wirken und damit etwaige Informationsverweigerung zu provozieren. Der Kriminalhauptkommissar mit der beinahe dreißigjährigen Diensterfahrung nahm seine Dienstmütze vom Rücksitz. »Folgen Sie mir, Kriminalobermeister Fackner. Beobachten Sie, hören Sie zu, sehen Sie sich um, machen Sie sich Notizen, lernen Sie.«
Als die beiden Polizisten nebeneinanderher auf Berchtenbreiter zugingen, knirschte der Kies laut unter ihren Schuhsohlen.
Ihr Verdächtiger erwartete sie mit in die Hüften gestützten Händen. »Grüß Gott, meine Herren, was führt Sie zu mir?«
Feyerabend lächelte. Der Mann versuchte also, hochgestochen daherzureden? Davon würde er sich nicht beirren lassen, da konnte er mithalten. »Wir haben ein paar Fragen an Sie. In einer
Weitere Kostenlose Bücher