Goldrausch in Bozen - Kriminalroman
solltest ihn lieber genießen, Heinrich.«
Gamper schaute erneut demonstrativ auf seine Uhr. »Ich habe wirklich nichts gegen deine netten Geschichten, aber alles zu seiner Zeit. Dunkelheit, Nachtlager, alles klar?«
Der Bergführer schaute Gamper verständnislos an. »Du hast überhaupt keinen Sinn für die Berge, aber was soll’s. Wenn Sara sich nicht geirrt hat, sollte der Eingang in den Stollen gleich da vorn hinter dem Felsvorsprung sein. Wenn dem so ist, können wir noch heute mit dem Graben anfangen. Die Nacht können wir zur Not im Stollen verbringen, und morgen sind wir vielleicht schon wieder auf dem Rückweg.«
Der Bergführer hatte recht. Als sie den Vorsprung umrundeten, lag der Einstieg, der senkrecht in die Tiefe führte, vor ihnen.
Christine Alber stieß einen Laut der Verzückung aus. »Endlich! Gut gemacht, Sara! Los, holt das Werkzeug raus, damit wir gleich anfangen können.«
Gamper zündete sich eine Zigarette an. Durch den Rauch, den er ausblies, beobachtete er aufmerksam die anderen Teilnehmer der Expedition, die ihre Rucksäcke absetzten. Pircher und Andreas Kofer, der Museumsdirektor mit seinem fundierten und für ihre Pläne unverzichtbaren Spezialwissen, trugen das Werkzeug und die gesamte Ausrüstung, die anderen Rucksäcke enthielten nur ein paar Vorräte und waren vor allem dafür gedacht, das Gold abzutransportieren. Wenn Sara recht behielt – und davon war Gamper noch immer überzeugt –, würde ihnen dieser unbedeutende Schacht den Weg zu mehreren Dutzend Kilogramm Gold öffnen. Und damit zu einem besseren Leben. Wobei Gamper wusste, wie unterschiedlich die Motive der Anwesenden waren. Mit seiner Lebenserfahrung und Menschenkenntnis durchschaute er jeden von ihnen.
Kofer war eitel und selbstverliebt. Jahrelang war er in den Bergen herumgekraxelt, ohne etwas von Bedeutung zu finden. Sein Kollege aus Innichen, Michael Wachtler, war da schon wesentlich erfolgreicher. Vor einigen Jahren hatte er nicht nur eine beträchtliche Menge Gold in den Bergen gefunden, sondern auch Nachweise für bis dato unbekannte Saurier- und Pflanzenarten, von denen einige sogar nach ihm benannt worden waren. Im Jahr 1999 war Wachtler dann in den Dolomiten auf das Skelett eines kleinen Sauriers gestoßen. Der »Megachirella wachtleri« war in seinem eigenen Museum in Innichen ausgestellt. Unter diesen Vorzeichen war Kofer dazu bereit, alles zu tun, um diesem Emporkömmling endlich zu zeigen, wer die wahre Nummer eins in Südtirol war. Sara hingegen war in keinster Weise materialistisch, lebte aber ungewollt stets am Existenzminimum. Ihre Veröffentlichungen begeisterten zwar die Fachkreise, erreichten aber bei Weitem nicht die Auflage wie etwa ein Roman. Ein unverhoffter Geldsegen würde es ihr ermöglichen, den Rest ihres Lebens ihrer Leidenschaft, der Geologie, ohne jeglichen finanziellen Druck nachzugehen. Pircher wiederum liebte es, mit dem Geld um sich zu schmeißen, um die Touristinnen zu beeindrucken. Alber war schlichtweg gierig, und Ferrari folgte ihr wie ein Hündchen.
Gamper selbst war seinen elenden Job in der Verwaltung leid. Tagaus, tagein dieselbe öde Leier. Er war Ende fünfzig und hatte keine Lust mehr zu arbeiten, sich für dieses beschissene Land den Arsch aufzureißen. Dank seiner Beziehungen würden sie ihren Fund problemlos außer Landes schmuggeln können. Und dann würde sein Anteil mit ein bisschen Glück vielleicht um einiges größer ausfallen als vereinbart, aber davon würden die anderen nichts erfahren. Für ihn waren sie nichts als Handlanger. Lediglich auf Christine musste er achtgeben, die war mit allen Wassern gewaschen.
Nur aus einem wollte Gamper nicht so recht schlau werden, aus Alexander Thaler, dem älteren der beiden Bergführer. Von ihm wusste er nur, dass er schon über siebzig war und Pircher ausgebildet hatte. Dieser war der Auffassung gewesen, dass Thaler an der Expedition teilnehmen solle, da niemand so erfahren im Hochfeilergebiet sei wie er. Und Pircher hatte recht gehabt. Es schien, als würde Thaler jede Kletterpassage im Schlaf beherrschen, als könnte er sie quasi blind gehen. Und da sie sich fernab offizieller Wege bewegten, war es tatsächlich ein gutes Gefühl, sich auf jemanden verlassen zu können, der jeden Stein kannte und der seine Mitstreiter mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerkes sicherte.
Gamper selbst war alles andere als bergerfahren. Seine Kondition stieß an der leicht zu erreichenden Ladurnerhütte an ihre Grenzen. Doch
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