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Goldrausch in Bozen - Kriminalroman

Goldrausch in Bozen - Kriminalroman

Titel: Goldrausch in Bozen - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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obwohl er nicht schwindelfrei war, bewältigte Gamper selbst die ausgesetzten Passagen problemlos, weil er sich in Thalers Seilschaft vollkommen sicher fühlte. Im Vergleich zu ihm war Pircher noch ein kleiner Junge, noch grün hinter den Ohren. Aber der alte Mann wirkte auch unnahbar. Er redete kein Wort, schaute auffallend grimmig drein. Seine Augen hatten das tiefste Blau, das Gamper je bei einem Menschen gesehen hatte. Er war klein, keine eins fünfundsiebzig, und von hagerer, fast ausgemergelter Statur. Mit seinen grauen Haaren und einem ebenso grauen Vollbart wirkte er irgendwie ungepflegt. Gamper wusste nicht, woher genau der Bergführer stammte, aber Pircher hatte gemeint, dass er irgendwo im hintersten Ahrntal auf einer Hütte lebte, weit oben, fernab von jeglicher Zivilisation. Angeblich gab es dort weder Sanitäranlagen noch Strom oder fließendes Wasser, lediglich einen Brunnen. Das konnte vieles erklären. Für Gamper unvorstellbar, so zu leben. Was mochte diesen Kauz nur dazu bewogen haben, sich der Expedition anzuschließen? Gamper konnte sich nicht vorstellen, dass sich ein solcher Eremit etwas aus Geld machte. Aber warum dann? Doch im Grunde konnten ihm Thalers Motive auch gleichgültig sein. Entscheidend war nur, dass der alte Mann wie alle anderen die wichtigste Eigenschaft besaß, die für ein solches Projekt, das unweigerlich unzählige Neider auf den Plan rufen würde, entscheidend war: Er konnte schweigen.
    Heinrich Gamper atmete tief durch und trat seine Zigarette aus, als Pircher Stirnlampen und Steinschlaghelme verteilte.
    »Auf geht’s!«, befahl Christine Alber. »Wir sollten keine Zeit verlieren. Time is money. «
    Pircher prüfte sein Klettersteigset und setzte den Steinschlaghelm auf. »Ihr folgt bitte meinem Beispiel. Es geht dreißig Meter in die Tiefe. Alexander, du bist der Erfahrenere, gehst du voran?«
    Thaler stand vor dem Schacht, starrte geistesabwesend in die Dunkelheit und schüttelte dann den Kopf. »Mir ist grad eingefallen, dass ich noch etwas zu erledigen habe. Ich versuche später nachzukommen. Sollte ich es nicht schaffen, übernimmst du die Führung, Markus. Der Rückweg ist derselbe wie der Hinweg, und die größte Gefahr in diesem Stollen, die vermoderten Spreizbalken, sind bereits im Juli eingestürzt. Ihr solltet gut ohne mich klarkommen.«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte sich Thaler um und stieg begleitet von den ungläubigen Blicken der anderen und ohne jedwede Sicherung in eine nahezu senkrechte Felswand ein, die sich rund zwanzig Meter unterhalb des Stolleneingangs befand. Schnell wie eine Gämse kletterte der alte Bergführer die Wand hinab. Gamper wurde allein vom Zusehen schwindelig. Als Thaler Augenblicke später verschwunden war, schüttelte er verständnislos den Kopf. Was trieb einen Menschen dazu, kurz vor Einbruch der Nacht in eine endlos erscheinende Schlucht zu klettern?
    Alber zog den Gurt ihrer Kletterausrüstung stramm. »Kümmert euch nicht um ihn. Wir haben Wichtigeres zu tun.«
    Pircher leuchtete mit der Stirnlampe in den Schacht, dann begann er, sich abzuseilen, und die Übrigen folgten ihm. Der Letzte in der Seilschaft war Kofer. Der Museumsdirektor sah Sara Gasser vor sich und ärgerte sich maßlos. Den anderen ging es nur um Geld, aber Sara wollte mehr. Sie hoffte wie er, dass sie nicht nur Berggold finden würden. Jahrhundertelang war der Stollen verschüttet gewesen, und abgesehen von dem Team um Michael Wachtler, das ihn vor ein paar Monaten freigelegt hatte, war seit jener Zeit niemand mehr in der Bergbauanlage gewesen. Es lag also nahe, dass sie auch auf Funde stoßen würden, die Ruhm bedeuteten. Ausrüstungsgegenstände, Objekte kultischer Handlungen wie etwa goldene Masken … Der Traum eines jeden Museumsdirektors. Je nachdem, was sie entdeckten, würde er vielleicht ein für alle Mal in der Bedeutung für diese Region an diesem Wachtler und seinem Museum vorbeiziehen. Ganz zu schweigen von den Veröffentlichungen, die auf solche Funde automatisch folgten. Er würde in den Geschichtsbüchern verewigt werden! Sicherlich, er hatte mit Sara bereits vereinbart, dass er vor ihr über die Funde schreiben durfte, wenn es sich um etwas anderes als um Gold handelte. Aber würde Sara ihm nicht doch in die Quere kommen? Schließlich war sie die Initiatorin der Expedition und hatte den Stollen zusammen mit Wachtler entdeckt, für den die Mission damit beendet gewesen war. Gott sei Dank wäre der niemals mitgekommen, nicht einmal dann,

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