Goldrausch in Bozen - Kriminalroman
Goldrausch erzählte. »Und diesmal hast du den Richtigen erwischt? Keinerlei Zweifel?«, fragte sie. Erst als sie es ausgesprochen hatte, realisierte sie, was sie gesagt hatte.
Ein betretenes Schweigen entstand zwischen ihnen. In diesem Augenblick fühlten beide wieder jene unerklärliche, nicht zu greifende und dadurch umso bedrohlichere Angst. Eine Angst, die sie monatelang nicht hatte zur Ruhe kommen lassen.
Vincenzo versuchte, gegen dieses Gefühl anzukämpfen. »Wir haben auch damals den Richtigen erwischt, Gianna. Hast du eine Vorstellung, wie viele Straftäter bei ihrer Verhaftung Rache schwören? Wir haben lange genug unter dieser Vorstellung gelitten. Wir müssen uns endgültig frei davon machen.«
Gianna hatte Vincenzo besorgt angesehen. »Ich wünschte, Marzoli hätte ihn damals erledigt.«
»Dann wäre dir das trotzdem passiert.«
»Vielleicht.«
»Nein, sicher!«
Wieder Schweigen. Wie bleischwerer Nebel hing das Gespenst der Angst seit Giannas Frage zwischen ihnen, doch es änderte nichts mehr daran, dass sie auf dem besten Weg waren, ihre Beziehungskrise zu überwinden. Das Wochenende erfüllte beide mit Hoffnung, doch Vincenzos erste eigenverantwortliche Mordfälle waren für ihre Liebe zu einer Hypothek geworden, die sie ewig begleiten konnte.
Auch am Sonntag ließ sie das bedrückende Gefühl nicht los. Stumm lagen sie am Strand nebeneinander. Irgendwann sagte Gianna: »Lass uns losfahren. Ich will nicht so spät zu Hause sein. Ich glaube, wir sollten das Thema zukünftig meiden, du weißt, wovon ich rede. Wir können nichts ändern, aber jeder Gedanke daran macht uns fertig. Vielleicht heilt die Zeit sogar diese Wunde.«
»Ja, vielleicht.«
* * *
Sarnthein
In Mailand hatte Vincenzo Gianna vorgeschlagen, die Nacht über bei ihr zu bleiben. Er hatte Sehnsucht nach ihrer Nähe, wollte sich nicht schon wieder von ihr trennen, wollte nicht mit der Mischung aus Glück über das hoffnungsvolle Wochenende und dem wiedererwachten Gespenst der Angst allein sein.
»Lieber nicht. Ich muss das alles erst mal in Ruhe verdauen, Vincenzo.« Gianna schien eine andere Bewältigungsstrategie zu haben. »Aber nächstes Wochenende komme ich nach Sarnthein. Versprochen. Kannst du mich verstehen?«
Natürlich verstand er sie, aber seine Stimmung auf der Fahrt nach Hause war von Minute zu Minute düsterer geworden. Das Schlimme daran war, dass er sich den Stimmungsumschwung selbst nicht erklären konnte. Es war doch alles gut! Nie hätte er vorher damit gerechnet, dass sie sogar miteinander schlafen würden, dass Gianna sich wieder so intensiv auf ihn einlassen würde. Er wäre mit bei Weitem weniger zufrieden gewesen. Trotzdem grub sich eine Art Dunkelheit tief in seine Seele. Wie eine böse Vorahnung, ein Omen des Grauens.
Als er am frühen Abend das Sarntal erreichte, war es selbst in dieser Höhe noch über zwanzig Grad warm. Er zog sich sofort Sportsachen an und lief eine Stunde. Nicht seine Runde zum Auener Joch, das wäre zu weit gewesen, sondern durch die Wiesen und Felder im Tal.
Nachdem er sich geduscht hatte, nahm er sich ein Bier, etwas Brot und Schinken und setzte sich auf den Balkon. Doch seine Hoffnung, dass der Sport und ein wenig Alkohol seine Stimmung aufhellen würden, erfüllte sich nicht. Körperlich ging es ihm gut, aber seelisch war er in einer desolaten Verfassung, er fühlte sich ausgelaugt und bedrückt. Die Wärme und die fast vollkommene Windstille kamen ihm vor wie die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm. Aber was für ein Sturm? Ein gelöster Fall, ein zufriedener Capo della Polizia, ein rehabilitierter Vice-Questore und vor allem eine Gianna, die endlich wieder der Gianna ähnelte, die er von früher her kannte. Das alles war doch überaus positiv. Dennoch konnte er das stärker werdende Gefühl einer Bedrohung nicht abschütteln, das ihm trotz der lauen Abendsonne eine Gänsehaut bereitete. Er fröstelte, rieb sich mit den Händen die Arme.
Nachdem er ein wenig gegessen hatte, griff er zum Telefon. Er wollte Gianna anrufen, um zu erfahren, ob es ihr genauso ging. Doch sie kam ihm zuvor. Er erkannte ihre Nummer, als es klingelte. Schluss mit diesem Blödsinn, beschwor sich Vincenzo, ich liebe Gianna, Gianna liebt mich. Uns muss es einfach gut gehen. Er drückte die grüne Taste. »Hallo, meine Süße. Wie geht es –«
»Guckst du gerade Nachrichten?«, unterbrach ihn Gianna panisch.
»Nachrichten?«, fragte Vincenzo konsterniert. »Nein, warum sollte ich?«
Giannas
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