Goldrausch in Bozen - Kriminalroman
und her. »Ein Tenuta dell’Ornellaia aus Bolgheri, Jahrgang 2007, ein Wein mit Kultstatus. So etwas hast du noch nicht erlebt. Der ist normalerweise unseren wichtigsten Stammkunden vorbehalten, die so ein Tröpfchen zu schätzen wissen und es sich leisten können, aber ich will ja heute nicht so sein.« Der Weinkenner schenkte seinem Sohn ein.
Vincenzo druckste herum. »Papa, eigentlich trinke ich derzeit keinen Alkohol. Ich –«
Sein Vater Piero fiel ihm ins Wort. »Papperlapapp, erzähl keinen Blödsinn. Hast du eine Vorstellung, was der kostet? Ich sage nur: dreistellig! So, und jetzt trink, aber bitte mit der angemessenen Ehrfurcht.« Er drückte Vincenzo das Glas in die Hand.
Vorsichtig schnupperte der Commissario an dem großen Rotweinkelch. Er konnte reife Beeren, Gewürze und sogar eine balsamische Note riechen. Mit geschlossenen Augen nahm er einen kleinen Schluck: purer Samt, gigantisch, absolut einmalig. »Meine Güte, Papa, woher hast du den?«
Piero lächelte zufrieden. »Ich habe die Tenuta besucht. Sie gehört seit einigen Jahren zur Frescobaldi-Familie. Vier Rebsorten, die je ein Jahr separat in ihrem Barrique reifen, bevor sie für ein weiteres halbes Jahr gemeinsam gelagert werden. Der Wein wird erst ein Jahr nach der Abfüllung verkauft. Ich freue mich schon auf den nächsten Besuch vom Conte Vespucci. Keiner hat so ein Gespür für Wein wie er – und besitzt zudem noch das nötige Kleingeld für ein solches Wunder. Wie sieht es mit dir aus, carissima , möchtest du nicht ausnahmsweise auch probieren?«
Antonia hatte die schwärmerischen Erklärungen ihres Mannes mit grimmigem Blick verfolgt. Für sie war das Geschwafel von Aromen, Abgängen, Lagen und Auszeichnungen nichts weiter als gut getarnter Alkoholismus. »Mittags um zwölf? Bist du noch ganz bei Sinnen? Nur weil dieses Zeug mehr als hundert Euro gekostet hat, ist sein Alkohol nicht weniger schädlich. Wäre deine ungesunde Leidenschaft nicht so zuträglich für unser Geschäft, würde ich sie dir verbieten.« Dann setzte sie ein mildes Lächeln auf und wandte sich ihrem Sohn zu. »Wie schön, dass du dich entschlossen hast, dem Wahnsinn zu entsagen. Dabei war das früher ganz anders, da habe ich mir große Sorgen um dich gemacht. Hat dein plötzlicher Sinneswandel einen bestimmten Grund, wenn ich fragen darf?«
Doch Vincenzo hatte seinen guten Vorsatz bereits gebrochen, das Glas geleert und signalisierte seinem Vater nun mit dem Zeigefinger nachzuschenken. »Ich muss zugeben, dass ich meinen Frust wegen Gianna anfangs im Alkohol ertränkt habe. Sport habe ich auch nicht mehr gemacht. Ihr habt ja selbst gesehen, wie ich zugelegt habe. Aber es gibt nicht nur Gianna, das ist mir dann klar geworden. Ich muss auch in der Arbeit Leistung bringen, und das funktioniert in so einem desolaten Zustand nicht. Deshalb lebe ich wenigstens vorübergehend abstinent. Abgesehen von solchen Gelegenheiten wie dieser hier, natürlich. Sich so einen Tropfen entgehen zu lassen, wäre ein Verbrechen. Und nenn mich nicht dauernd Vince, Mama, das klingt ja fürchterlich.«
Antonias Augen wurden zu Schlitzen. »Wegen Gianna? Hat sie dir nicht schon genug angetan? Warum quälst du dich ihretwegen so? Erst rettest du ihr das Leben, dann lässt sie dich fallen wie eine heiße Kartoffel. Ist das vielleicht ihre ganz besondere Art, danke zu sagen? Ich sag dir, sie hat dich nicht verdient.«
In Antonia war die Glucke erwacht, und es gab kaum etwas, das Vincenzo mehr auf die Nerven ging. Er fühlte sich gezwungen, seine Noch-Freundin zu verteidigen. »Was Gianna erlebt hat, kannst du dir nicht einmal ansatzweise vorstellen, Mutter.« Mutter , Antonia wusste, was das zu bedeuten hatte. Sodann erhob ihr Sohn die Stimme. »Also hör auf, so einen Blödsinn zu erzählen.«
»Ich erzähle Blödsinn?« Niemand fügte ihrem Sohn ungestraft Schmerzen zu, der das zu allem Überfluss offensichtlich nicht einmal begriff. »Du bist es doch, der Blödsinn erzählt, Vince. Schon vorher hast du nichts als Scherereien mit Gianna gehabt, mach doch mal die Augen auf! Die und ihre Karriere. Wo sind sie denn, die Kinderchen, von denen du träumst? Und wir im Übrigen auch? An dir liegt das sicher nicht.«
Vincenzo wusste, dass es keinen Sinn machte, weiter mit seiner Mutter zu diskutieren. Doch sein Temperament war erwacht. Er fühlte sich persönlich angegriffen.
Pieros feines Gespür für Stimmungen erkannte den Wandel in seinem Sohn, sodass er sich genötigt sah
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