Goldrausch in Bozen - Kriminalroman
so wie Sie aussehen …«
Vincenzo zwang sich zu einem gequälten Lächeln. »Nicht der Abend war das Problem, mein lieber Reiterer, sondern der Crosstrainer davor.«
Mit einem so vorzüglichen Gegenstoß hatte Reiterer nicht gerechnet. Ihm musste sofort eine Erwiderung folgen. »Was kann denn ein Crosstrainer, zweifelsohne der Inbegriff des perfekten Allround-Trainingsgerätes für Fortgeschrittene, mit Ihrem desolaten Zustand zu tun haben?«
»Nun, mein Lieber, wie Sie vielleicht wissen, begebe ich mich hin und wieder in eine Muckibude, um meine Gesundheit zu fördern. Da gibt es Folterinstrumente, von deren Existenz ich vorher noch nichts wusste. Unter anderem diese komischen Crosstrainer. Gestern habe ich an Sie gedacht. Schließlich weiß jeder in der Questura, dass Sie freiwillig jeden Tag zu Hause Stunden auf so einem Ding verbringen. Mal abgesehen von der Frage, ob das nicht ein Fall für den Psychologen wäre, dachte ich mir, dass ich das mal selbst ausprobiere. Eine Stunde habe ich durchgehalten. Was für eine unvorstellbare Qual! Da beneidet man den Hamster direkt um sein Rad. Seither bin ich ein Schatten meiner selbst. Es sagt so einiges über Sie aus, dass Sie sich einer Tortur wie dieser täglich ohne jeglichen Zwang aussetzen.«
Reiterer kratzte sich am Kopf. »Erstaunlich, zu welchen gedanklichen Winkelzügen Sie fähig sind, wenn Sie argumentativ nicht mehr weiterwissen. Wirklich, Commissario, das ist eine ganz außergewöhnliche Fähigkeit von Ihnen. Insofern einmal mehr meinen Respekt. Aber was halten Sie denn jetzt von wissenschaftlich fundierten Analysen, so unter Sportsfreunden?«
Vincenzo konnte sich das Lachen nicht länger verkneifen. »Jedenfalls mehr als von seelischer Nötigung durch ein Sportgerät.«
Auch der Spurensicherer ließ sich zu einem seltenen Lächeln hinreißen. Ein sicheres Indiz dafür, dass ihm der verbale Schlagabtausch gefallen hatte. »Leider geben meine Analysen noch nicht viel her. Paci kann Ihnen wahrscheinlich ausnahmsweise mal mehr erzählen als ich. Neben dem Toten lag noch ein Bergseil. Eines, das Sie allerdings bei jedem x-beliebigen Ausstatter kaufen können. Wir haben Abriebspuren des Seiles an der Einstiegsluke gefunden. Logisch, irgendwie muss der Mann ja in das Verlies gekommen sein. Meines Wissens hatte er keine äußerlichen Verletzungen. Es gibt keinerlei Stand am Einstiegsloch, nichts, woran das Seil etwa mittels Karabinern hätte befestigt werden können. Mit anderen Worten: Irgendjemand muss Markus Pircher abgeseilt und dann seinem Schicksal überlassen haben. Grässliche Vorstellung, da dreht sich mir ja glatt der Magen um. Wenn es denn weitere Spuren gab, wurden die durch die Touristen zunichtegemacht. Wir haben jedenfalls nichts gefunden.«
Vincenzo nickte. »Das dachte ich mir schon. Und zu diesem einen Toten kommen noch die Toten vom Gamperhof. Glauben Sie mir, auch das war kein Unfall. Was ist bloß los in Südtirol? Woher tauchen plötzlich diese vielen Mörder auf? Meinen Sie, die sind alle durch Stunden auf dem Crosstrainer wahnsinnig geworden?«
Reiterer schnaubte verächtlich durch die Nase. »Im Gegenteil, Bellini, im Gegenteil. Würden sich mehr Menschen dieser intelligenten, weil alle Regionen des Hirns ansprechenden Form der Körperertüchtigung widmen, hätten wir weniger Straftaten zu beklagen.«
Vincenzo verabschiedete sich mit dem Hinweis, dass ein einziger, nicht straffällig gewordener Spurensicherer nicht als Beweis dieser These herhalten könne, und entschied sich dann für ein frühes Mittagessen bei seinen Eltern, da Paci ihn auf den Nachmittag vertröstet hatte.
* * *
Mama Antonia hatte Ribollita gekocht, einen Eintopf ähnlich einer dickflüssigen Suppe aus verschiedenen Gemüsesorten. Die Woche stand in der Trattoria ganz unter dem kulinarischen Motto »Toskanische Küche«. Vincenzo freute sich. Einerseits liebte er seit jeher jede Art von Gemüse, andererseits war mit einem vegetarischen Gericht auch seinem bewussteren Ernährungsplan gedient.
Der Angriff auf seine guten Vorsätze erfolgte indes von Vater Piero. Während er seine linke Hand auf Vincenzos Schulter parkte, hielt er seinem Sohn mit der rechten eine Flasche vor die Nase. »Zur toskanischen Küche gehört selbstverständlich auch ein toskanischer Wein. Auch wenn ein Gemüseeintopf ein eher einfaches Gericht ist, das durchaus einen Landwein verträgt, möchte ich dir heute das hier vorstellen.« Piero drehte die Flasche vor Vincenzos Gesicht hin
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