Goldrausch in Bozen - Kriminalroman
was uns die drei Pflerschtaler erzählen. Und vorerst kein Wort zur Presse. Ich will sehen, wie die Leute im Tal auf Pirchers Tod und Patscheiders Aussage reagieren. Baroncini hat schon sein Okay gegeben, die Medien rauszuhalten.«
* * *
Sarnthein
Vincenzo war direkt von der Questura aus ins Fitnessstudio gegangen und hatte auf Hantelbänken, an der Zugmaschine, dem Rückenstrecker und diversen anderen Folterinstrumenten die nächste Einheit gegen sein frustbedingtes Übergewicht absolviert. Nichtsdestotrotz blieb es ihm unbegreiflich, dass es Menschen geben sollte, denen so etwas Spaß machte. Immerhin spürte er mit jedem weiteren Training, wie sich sein Körper straffte. Das verbesserte Körpergefühl leistete denn auch einen kleinen Beitrag gegen seinen allgegenwärtigen Katzenjammer. Nach einer kleinen Pause stieg er auf den Crosstrainer um. Wie würde Gianna auf seinen unangemeldeten Besuch reagieren? Machte er damit alles nur noch schlimmer? Das Rumgestrampel war wirklich eine elende Selbstgeißelung. Es passte zu Reiterer, dass er sich so ein Ding ins eigene Wohnzimmer gestellt hatte und fast täglich darauf trainierte. Freiwillig! Wie öde und langweilig im Vergleich zu Vincenzos normaler, herrlicher Laufrunde hinauf zum Auener Joch. Doch für die tausend Meter Anstieg fehlte ihm in seinem jetzigen Zustand noch schlichtweg die Puste.
Unfassbar, was eine Frau aus einem Mann machen konnte. Ein Leben ohne eine liebevolle, ernsthafte Beziehung konnte sich Vincenzo nicht vorstellen, ganz abgesehen von seinem innigen Kinderwunsch, der dann unerfüllt bliebe. Aber die Widrigkeiten, die damit verbunden waren, waren ein hoher Preis, der zu zahlen war. Überhaupt gab es zurzeit niemanden in seinem Freundes- und Bekanntenkreis, der keine Probleme in seiner Partnerschaft hatte. Ungefähr bei Minute dreißig auf dem Crosstrainer, der Pulsmesser zählte gleichbleibend einhundertdreißig Schläge pro Minute, erinnerte er sich daran, dass er vor nicht einmal langer Zeit in diesen Situationen immer damit geprahlt hatte, wie unkompliziert und stressfrei seine Beziehung mit Gianna war. Aber das war die Vergangenheit, jetzt trösteten ihn all jene, denen es im Verhältnis zu ihm vorher schlechter, nun aber viel besser ging. Was war schon der permanente Streit um das abendliche Fernsehprogramm im Vergleich zu einer Freundin, die entführt, in einem Gletscher gefangen gehalten, einer Gehirnwäsche unterzogen worden und danach nicht mehr sie selbst war?
Wie gut, dass er sich heute Abend mit seinem Freund Hans treffen wollte. Hans Valentin hatte bereits eine Scheidung und kürzlich erst eine Expedition nach Südamerika hinter sich, von der er sicherlich wieder etliche spannende Anekdoten erzählen würde. Ganz zu schweigen von den leckeren Tröpfchen, die sie sich als passende Begleitung dazu genehmigen würden. Die seltenen Unterbrechungen seiner Abstinenz gönnte sich Vincenzo ohne schlechtes Gewissen, schließlich machte das Leben ansonsten keinen Spaß. Voller Vorfreude erhöhte er auf dem Display des Crosstrainers den Widerstand. Noch zwanzig Minuten auf Stufe fünfzehn.
Um acht saßen er und sein Bergführerfreund beim »Braunwirt« und genehmigten sich zum einheimischen Entrecôte einen ausgezeichneten Ripasso. Der Alkoholverzicht hatte einen unwiderlegbaren Vorteil. Bei den wenigen Anlässen, zu denen man etwas trank, war das Geschmackserlebnis um ein Vielfaches intensiver als bei regelmäßigem Alkoholkonsum. Vincenzos Geschmackspastillen verzehrten sich förmlich nach den mannigfaltigen Aromen. Der Ripasso schien ihm das Beste zu sein, was er je getrunken hatte. Und hatte er die Wirkung des Alkohols zuvor frühestens beim dritten Glas gespürt, setzte sie nun schon beim ersten ein. Vincenzo lächelte müde. »Siehst du, Hans, so kann ich diesem Mist wenigstens etwas Positives abgewinnen.«
Hans schenkte nach. »Was Gianna durchgemacht hat, entzieht sich dem menschlichen Vorstellungsvermögen, Vincenzo. Auf meinen zahlreichen Touren habe ich ja so einiges erlebt, aber als ich damals mitten im Gletscher nach ihr gesucht und mir vorgestellt habe, ich wäre dort unten gefangen, ist es selbst mir passenderweise eiskalt den Rücken runtergelaufen. Dich trifft keine Schuld. Du kannst im Moment nur machtlos zusehen und dich in Geduld üben. Ich habe nicht den Ansatz eines Zweifels, dass Gianna zu dir zurückkommen wird. Sie hat Charakterstärke und weiß, was sie an dir hat. Sie liebt dich.«
»Deinen Optimismus möchte
Weitere Kostenlose Bücher