Goldrausch in Bozen - Kriminalroman
ausgesetzte und Kletterpassagen hätten sie überwinden müssen, überall habe Steinschlaggefahr geherrscht. Doch keiner habe sich in dem Gebiet besser ausgekannt als Thaler, der auch einer von Saras Begleitern bei der ersten Expedition im Juli gewesen sei. Schweigend habe er sie zum Einstieg des Stollens geführt, sei dann aber, statt mit hineinzugehen, in eine Schlucht abgestiegen. Danach hätten sie ihn nicht mehr wiedergesehen, er war wie vom Erdboden verschluckt.
Der dritte Vermisste also? So allmählich fanden sich die ersten Puzzlestücke zusammen, doch mit jedem neuen Stück tauchten auch weitere Fragen auf. »Und wer war alles bei der Expedition dabei? Ich will jeden Namen.«
Außer sich selbst nannte der Koch seine Chefin Christine Alber, Heinrich Gamper, Andreas Kofer, Markus Pircher und Alexander Thaler. Marzoli notierte alle Namen in seinem Notizblock.
Ungeduldig klopfte Vincenzo mit den Fingern auf die Tischplatte. Keiner der Beamten hatte die Snacks und Getränke bisher angerührt. »Sonst niemand?«
Ferrari schüttelte den Kopf.
»Auch nicht Sara Gasser? Immerhin war sie die Pionierin. Das war sie doch, oder?«
Schweigen.
»Signore, Sara Gasser! Was ist mit ihr?«
»Nein, die … die«, stotterte Ferrari herum, »die war nicht dabei. Sie hatte furchtbare Angst … wegen des Stollens. Hohe Einsturzgefahr, hat sie gesagt.«
»Ganz sicher?«
Ferrari nickte.
»Und warum, verehrter Signor Ferrari, hat sie dann herumerzählt, dass sie etwas Wertvolles gefunden habe, das sie nun zu bergen gedenke, wenn sie aber doch nach Ihrer Aussage gar nicht mitgehen wollte? Hören Sie auf, mich für dumm zu verkaufen, verdammt!«
Schweißperlen traten auf die Stirn des Zeugen. Es schien, als könnte er dem Druck nicht mehr lange standhalten. »Sara hat bei früheren Recherchen das Schriftstück gefunden. Deshalb ist sie mit Thaler und ein paar anderen damals im Juli aufgebrochen. Sie hat auch unsere Expedition organisiert, aber dann haben wir uns entschlossen, sie nicht mitzunehmen. Christine, also Frau Alber, sie meinte, dann müssten wir ihr auch nicht so viel abgeben. Und Sara bedeutet Geld sowieso nichts.«
Vincenzo glaubte Ferrari kein Wort. Trotz seiner unverkennbaren Angst log er ihn an. Vermutlich war die Angst vor seiner Chefin noch um ein Vielfaches größer. Trotzdem musste er so viel wie möglich aus dem Koch herausbekommen, denn Alber, so schätzte er sie ein, würde sich durch nichts und niemanden verunsichern lassen. »Wissen Sie, wer im Juli mit Sara Gasser unterwegs war, als sie den Stollen entdeckte?«
Der Koch zuckte mit den Schultern. »Nur dass der Thaler dabei war, der schließlich auch uns geführt hat. Mehr hat Sara nicht gesagt.«
Eine weitere Lüge. »Und wie viel Gold haben Sie gefunden? Was haben Sie damit gemacht? Verkauft? Eingeschmolzen? Raus mit der Sprache!«
Ferrari wirkte wie ein Häufchen Elend. In sich zusammengefallen saß er auf seinem Stuhl, die Hände zwischen seinen zusammengepressten Knien gefaltet, den Blick zu Boden gesenkt, während er vor- und zurückwippte. »Ich habe keine Ahnung. Ich weiß es wirklich nicht. Meine Aufgabe war nur, einen Rucksack zu tragen. Alles Weitere haben die anderen gemacht.«
»Welche anderen?«
»Ich weiß es nicht, verdammt! Nach unserer Rückkehr sollte ich nur warten. Nach einer Weile besuchte mich Gamper und gab mir zwanzigtausend Euro. ›Dein Anteil, Luigi‹, hat er gesagt. So, jetzt wissen Sie es.«
Vincenzo hielt Luigi Ferrari für einen naiven Menschen von geringer Intelligenz, deren Entwicklung irgendwann stagniert haben musste. Der Koch mochte aus Angst vor Alber ein paar Details verschwiegen haben, doch letztlich schien es, als hätte er das meiste gesagt, was er wusste. Mehr war nicht aus ihm herauszuholen.
Der Commissario bat die Hotelierin wieder ins Zimmer und setzte die Befragung fort. Sie gab tatsächlich zu, Gold gefunden zu haben. Angeblich aber kaum mehr als fünf Kilogramm. Ihre Erwartungen seien schwer enttäuscht worden. Normalerweise müsse man einen solchen Fund dem Staat mitteilen, aber weil es sich in ihren Augen um so wenig Gold handelte, habe Gamper es kurz danach heimlich nach Deutschland gebracht und dort an einen Unterhändler verkauft. Gerade weil er sich mit solchen Dingen ausgekannt habe, sei er wichtig für das Team gewesen. Alber bestätigte auch Ferraris Aussage, dass Sara Gasser nicht zur Gruppe gehört habe.
»Wenn dem so ist, Frau Alber, dann können Sie uns wahrscheinlich auch
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