Goldrausch in Bozen - Kriminalroman
Beteiligten schienen etwas zu verschweigen. Aber was und warum? Immerhin trachtete jemand Alber nach dem Leben, daran konnte kein Zweifel bestehen. Zwei Zufälle waren mindestens einer zu viel. Insofern sollte ihr doch an der Wahrheit gelegen sein. War es die Angst vor den juristischen Konsequenzen des Goldschmuggels? Aber selbst die standen in keiner Relation zu der Lebensgefahr, in der zumindest Alber schwebte. Immerhin hatten die bisherigen Ermittlungen eine der Lügen aufgedeckt. Marzoli konfrontierte Alber und Ferrari mit Thalers Abschiedsbrief und Wachtlers persönlicher Einschätzung. »Warum haben Sie behauptet, dass Sara Gasser im Oktober nicht dabei war? Warum haben Sie das abgestritten? Und wo ist Gasser jetzt?«
Doch wenn der Ispettore glaubte, die abgebrühte Hotelfachfrau auf diese Weise aus dem Konzept bringen zu können, hatte er sich geirrt. »Der Abschiedsbrief eines verzweifelten alten Mannes und die Spekulationen eines unbeteiligten Dritten sollen ausreichen, uns der Lüge zu überführen? Ich bitte Sie, Ispettore, das kann doch nur ein Witz sein.«
Es war Marzoli unbegreiflich, warum der Koch diese Hexe anhimmelte. Ihre dreisten Provokationen waren einfach nur unweiblich. »Sie leugnen weiterhin, dass Gasser dabei war?«
Alber nickte energisch, Ferrari sagte ohnehin nichts.
»Sie geben es also zu?«
»Wie kommen Sie denn darauf?« Sie sah den Polizisten verwundert an. »Natürlich nicht. Sara hat uns damals nicht begleitet. Ich bleibe dabei. Sonst noch was?«
Marzoli war bis aufs Blut gereizt. Diese Person war schlichtweg unmöglich. Aber seine persönliche Meinung war unbedeutend, er hatte einen Job zu machen. »Ja. Erklären Sie mir genau, wie das Gold nach Deutschland geschafft wurde und wer der Käufer ist, einfach alles, was in diesen Zusammenhang fällt.«
Aus der Mimik der Hotelchefin sprach erneut Verwunderung. »Aber das habe ich doch schon gesagt, Ispettore. Heinrich hatte die wichtigen Kontakte. Er ist mit dem Gold nach Deutschland gefahren und mit dem Geld zurückgekommen, das wir wie vereinbart unter uns aufgeteilt haben. Mehr weiß ich nicht. Das war allein Heinrichs Job. Niemand von uns wollte wissen, wie er das angestellt hatte. Es gibt Wissen, das nur schadet.«
Sie hatte einfach auf alles eine Antwort. Marzoli war mit seinem Latein am Ende. »Fällt Ihnen noch was ein, Salvatore?«
Zum ersten Mal hob der Römer den Kopf, und zum ersten Mal seit der Hinfahrt sagte er etwas. »Scusi?«
Verärgert verabschiedete sich Marzoli. Die nächste Station war Kofer. Vielleicht war der ja weniger abgezockt.
* * *
Hochfeiler, Weißkarferner
Vincenzo und Mauracher hatten den Stollen dank Wachtlers perfekter Wegbeschreibung bald gefunden. Wie dieser vermutet hatte, war der senkrecht in die Tiefe führende Zugang schneefrei. Vermutlich war der Schnee immer wieder abgebrochen und in den Stollen gerutscht. Auch die Sonne hatte wertvolle Dienste geleistet, der noch liegende Schnee war weich und gut begehbar. Etwas ratlos blickte Vincenzo den Stollen hinunter. »Und da sollen wir wirklich rein? Ich muss immer wieder an Wachtlers Schilderungen von dem Holzeinbruch denken, der Thaler damals fast erwischt hätte.«
Auch Mauracher wirkte unschlüssig. »Riskant wäre es zumindest. Fragt sich nur, wie wir Gasser sonst finden sollen. Wo sollte sie sein, wenn nicht da unten?«
Vincenzo blickte sich um. »Sie könnte ebenso gut beim Abstieg verschollen sein. Doch was, wenn es doch bloß ein Unfall war? Oder wir uns getäuscht haben und sie noch lebt?«
»Niemals«, beharrte Mauracher. »Jemand hat sie aus reiner Gier um die Ecke gebracht. Und sie war nicht die Einzige, ich sage nur Pircher und Gamper. Das ist wie mit den zehn kleinen Negerlein. Und Alber scheint das nächste Opfer zu sein. Was ist jetzt? Sollen wir es riskieren?«
Vincenzo blickte angestrengt in die Tiefe. Er versuchte, sich vorzustellen, wie er selbst in einem unbeobachteten Moment einen Expeditionsteilnehmer schubste oder dessen Seil löste. War das in so einem engen Stollen überhaupt möglich? Würde eine fallende Sara Gasser nicht automatisch alle anderen mit in die Tiefe reißen? So wie letztes Jahr die Spreizbalken um ein Haar Thaler erwischt hatten? So eine Taktik hätte nur dann funktioniert, wäre Gasser die Erste im Abstieg und der Täter direkt hinter ihr gewesen. Doch dann hätten alle anderen den Mord mitbekommen. Nein, wenn er jemanden auf diese Weise hätte beseitigen wollen, dann hätte er es beim Abstieg
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