Goldrausch: Tannenbergs zweiter Fall
wasserdichtes Alibi, Herr Professor?«, versuchte er den roten Faden aufzunehmen, der immer noch einige Meter von ihm entfernt auf dem marmorierten Kunststoffboden herumlag. »Schließlich könnte der Herr Rechtsanwalt Ihnen das Alibi ja auch …«
»Stopp, Herr Hauptkommissar«, sagte plötzlich Dr. Croissant, der die ganze Zeit über nahezu regungslos am Tisch gesessen hatte, mit energischer Stimme. »Sie sollten jetzt besser nicht weiterreden, sonst haben Sie schon morgen früh eine ganz dicke Verleumdungsklage am Hals.«
Tannenberg musste zwar wohl oder übel die Zurechtweisung wie eine schleimige Kröte unwillig herunterschlucken, aber er wollte dem Anwalt keinen weiteren Triumph gönnen; deshalb wechselte er, ohne auf dessen kritische Bemerkungen einzugehen, das Thema.
»Herr Professor, wir kennen Ihren wirklichen Namen. Wir wissen, dass Sie Kretschmer heißen und …«
»Entschuldigung, Herr Hauptkommissar«, unterbrach von Wandlitz, »wollen Sie daraus vielleicht ein Motiv für den Mord an Susanne ableiten? Wenn überhaupt, dann wohl doch eher für einen an meiner Frau – obwohl das ja genauso abwegig wäre! Also bitte! Das mit der Namensänderung war doch nichts anderes als ein Geschäft gewesen, gut für beide Seiten: Charlotte hab ich durch die Heirat aus ihrem kleinbürgerlichen Ossi-Mief herausgeholt, ihr eine vielversprechende Perspektive eröffnet; und mir hat der Adelstitel eine enorme Reputation verschafft, den ich für die Firmengründung sehr gut gebrauchen konnte. Jetzt natürlich auch noch.«
»Gut, akzeptiert, Herr Professor, aber beantworten Sie mir doch bitte mal folgende Frage: Wenn Sie’s nicht waren, könnten Sie sich dann jemanden vorstellen, der für solch eine Tat ein Motiv gehabt haben könnte? Wissen Sie, ob Frau Niebergall Feinde hatte, im geschäftlichen oder im privaten Umfeld?«
»Darüber denke ich natürlich auch schon die ganze Zeit nach. Aber mir fällt weder eine Person, noch ein Motiv ein. Sie war so ein lieber Mensch.« Professor von Wandlitz schluckte und rang sichtlich um Fassung, fing sich aber gleich wieder. »Aber wie sagt man so schön: Die Seele eines Menschen ist unergründbar. Gab es denn das nicht schon öfter, dass Menschen ein Doppelleben geführt haben? Zum Beispiel Frauen, die zu Hause die liebe Mama und Ehefrau spielten, und abends arbeiteten sie dann in der Rotlichtszene als Domina. Also ich glaub einfach, dass es ein Einbrecher war!«
»Ein Einbrecher?«, wiederholte Tannenberg fragend und nahm sein Gegenüber noch konzentrierter ins Visier. »Tragen Sie eigentlich Armani-Schuhe?«
»Wieso?«
»Beantworten Sie bitte meine Frage!«
»Es könnten sich durchaus unter meinen vielen Schuhen auch ein Paar von dieser Firma befinden. Aber das kann ich jetzt nicht definitiv sagen. Meine Frau bringt oft Kleider und Schuhe zum Roten Kreuz. Wir sogenannten Besserverdienenden haben ja schließlich eine karitative Verantwortung gegenüber Menschen, die vom Schicksal nicht so verwöhnt wurden wie wir.«
Tannenberg kamen fast die Tränen angesichts dieses öffentlich zu Markte getragenen sozialen Engagements. Obwohl er eine tief sitzende Aversion gegenüber den demonstrativen Bekenntnissen solcher Gutmenschen hatte, bündelte er alle noch vorhandenen Kräfte zusammen und versuchte trotz seiner immer stärker sich bemerkbar machenden Schmerzen, die Befragung einigermaßen konfliktlos abzuschließen.
»Erinnern Sie sich, ob auf dem Schreibtisch Ihrer Kollegin Skulpturen herumstanden?«, fragte er und blickte dabei von Wandlitz tief in dessen stahlblaue Augen.
»Ja klar: Bulle und Bär. Es gibt wohl kaum …«
»Danke, Herr Professor für das sehr interessante Gespräch«, würgte er ihn ab und ergänzte, »Wenn Sie jetzt bitte noch so nett sein wollten, sich ins Erdgeschoss zu den Kollegen von der Kriminaltechnik zu begeben. Wir brauchen natürlich noch Ihre Fingerabdrücke, um diejenigen, welche die Spurensicherung bisher gefunden hat, den entsprechenden Personen zuordnen zu können.«
Daraufhin standen die beiden Männer auf, verabschiedeten sich und wurden von Kommissar Schauß nach draußen geleitet.
Tannenberg erhob sich ebenfalls von seinem Stuhl und vertrat sich anschließend ein wenig die Beine, fand aber keine Zeit, die Eindrücke gründlich zu verarbeiten, die in der letzten Viertelstunde wie ein plötzlicher Gewitterregen auf ihn eingeprasselt waren, denn Adalbert Fouquet betrat den Raum.
»Chef, ich hab vor kurzem erfahren, dass die Eltern der
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