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Goldrausch: Tannenbergs zweiter Fall

Goldrausch: Tannenbergs zweiter Fall

Titel: Goldrausch: Tannenbergs zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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stapfenden Storchenschritten das winterliche Naturhindernis.
    Nach einem steilen Anstieg verließ der zwischen den beiden Zäunen eingesperrte Pfad sein enges Korsett und mündete schließlich in einen breiten Wanderweg, der bereits mehrere Fuß- und Pfotenspuren aufwies.
    »Chef, da waren doch tatsächlich schon einige Leute mit ihren Hunden unterwegs.«
    »Ja, klar, Fouquet. Das ist schließlich auch der Philosophenweg des Grübentälchens. Denn fast jeder, der in dieser Siedlung einen Köter besitzt, führt ihn hier oben auf diesem Rundweg aus.«
    Befriedigt registrierte Tannenberg die nicht zu übersehenden zahlreichen gelben Urinspuren, welche die Tiere in den unberührten Schnee gebrannt hatten und die seine gerade eben getätigte Aussage auf eindrucksvolle Weise bestätigten. Er zog seinen Blick empor zu den am Wegesrand spalierstehenden Bäumen, deren dürre, blattberaubte Äste dick mit Schnee beklebt waren und an deren Stämme irgendjemand auf der Wetterseite große Schneeflächen geklatscht hatte.
    Der anstrengende Fußmarsch durch die eiskalte Winterluft regte die Sekretproduktion der beiden Männer an. Während sie laut schnaubend die jungen Kiefern passierten, die ihre mit kleinen Sahnehäubchen gekrönten Spitzen wie eine vielköpfige, ehrerbietende Dienerschaft grüßend vor ihnen verneigten, zog Tannenberg nacheinander alle Register derb-männlicher Urlaute, die von eher dezentem Husten und Räuspern über langsames, genussvolles Hochziehen der Nase bis hin zu einem sehr eigentümlichen, nicht mit einem einzigen Wort zu beschreibenden, würgeähnlichen Geräusch, das einem erfolgreichen Schleimauswurf zeitlich direkt vorangeht, reichten.
    Fouquet wollte, obwohl er sich zunächst etwas mit der archaischen Geräuschproduktion zurückhielt, seinem Vorgesetzten aber nicht dauerhaft nachstehen und bereicherte diese urige Männer-Symphonie nach und nach mit Eigenkompositionen, die selbst der in diesem Metier sehr erfahrene Tannenberg in solch einer Form noch nie gehört hatte. Besonders beeindruckte ihn dabei die Fähigkeit seines jungen Mitarbeiters, beim taschentuchlosen, einseitigen Freiluft-Schnäuzen nicht beide Daumen abwechselnd zum Verschluss eines Nasenlochs zu benutzten, sondern beide Riechöffnungen mit ein und derselben Daumenfläche nacheinander zu bedienen.
    Hier in der freier Natur – geschützt von der unausgesprochenen Akzeptanz eines solidarischen Artgenossen, fernab der angewiderten, abschätzigen, verächtlichen Blicke der Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts, die stets mit lauten Aufschreien des missbilligenden Entsetzens auf diese tiefsitzenden maskulinen Atavismen, die sich seit der Steinzeit nicht verändern hatten, reagierten – durfte man Mann sein. Endlich mal wieder Mann sein! Befreit von den lästigen Anstandsfesseln einer feminisierten Gesellschaft, die nur kastriertes, pseudomännliches Sozialverhalten akzeptierte, konnte das ungeschminkt an den Tag treten, was in uns Männern seit Urzeiten …
    »Chef, ich glaub, es ist nicht mehr weit!«, polterte plötzlich Adalbert Fouquet in Tannenbergs Gedankengänge und verhinderte somit eine abschließende Klärung dieser spannenden Frage.
    Der altgediente Kriminalbeamte reagierte zunächst sehr irritiert, um nicht zu sagen regelrecht verstört, auf diesen Einwurf seines Mitarbeiters. Er blieb ohne Vorankündigung stehen, wartete bis Fouquet ebenfalls zum Stillstand gekommen war, verringerte mit einigen wenigen Schritten die Distanz zu ihm und konfrontierte ihn mit einer Aufforderung, die dem armen, jungen Kriminalbeamten regelrecht die Sprache verschlug.
    Vielleicht ließ sich Tannenbergs Bedürfnis nach einer radikalen Veränderung der Kommunikationsbeziehung zu seinem Kollegen auf dieses geräuschvolle Intermezzo zurückführen, vielleicht hing es aber auch an den, in Folge der intensiven körperlichen Anstrengungen in der belebenden kalten Winterluft sein Gehirn überschwemmenden Endorphinwellen – oder es waren möglicherweise auch die Spätfolgen seiner Euphorie über die Wiederherstellung seiner uneingeschränkten Bewegungsfähigkeit.
    Jedenfalls war er der Meinung, dass es nun an der Zeit war, seinem Mitarbeiter ohne jegliche Vorwarnung die Pistole auf die Brust zu setzen.
    »Fouquet, was hältst du davon, wenn wir uns duzen?«, fragte er scheinbar unberührt.
    Nach den schon angesprochenen Schrecksekunden antwortete der völlig konsternierte junge Kriminalbeamte, der ja erst seit etwas über einem Jahr bei der

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