Goldrausch: Tannenbergs zweiter Fall
ungestörten Nachtruhe erholt und mit unbändigem Tatendrang erwachte, verspürte er sofort ein geradezu manisches Bedürfnis, etwas zu tun, was er die ganze Zeit über unwillig vor sich hergeschoben hatte, dem er sich aber jetzt elanvoll zuwenden wollte.
Noch vor dem Frühstück benachrichtigte er deshalb seinen am Telefon sehr verschlafen wirkenden Mitarbeiter Fouquet und forderte diesen auf, ihn so schnell wie möglich in der Beethovenstraße abzuholen. Dessen berechtigte Frage nach dem Grund des überraschenden Anrufs beantwortete Tannenberg dahingehend, dass er mit ihm gemeinsam baldmöglichst eine unaufschiebbare Dienstwanderung unternehmen wolle.
Obwohl der junge Kriminalkommissar dem frühmorgendlichen Aktionismus seines Vorgesetzten so absolut gar nichts Positives abgewinnen konnte, erschien er bereits eine halbe Stunde später an dessen Haustür.
In der Nacht hatte es zu schneien begonnen, zuerst in Form von nassen Graupelbrocken, die sich wie durch Geisterhand nach Mitternacht in dicke, langsam hernieder schwebende Flocken verwandelten und die dann in der immer kälter werdenden Luft irgendwann in den etwas dünneren, fusseligeren Pulverschnee übergingen. Auf den von den letzten milden Novembertagen noch aufgewärmten Innenstadtstraßen schmolzen auch noch an diesem frühen Morgen die weißen Flocken wie Butter in der Sonne.
Draußen vor den Toren der Stadt allerdings hatten die ersten Vorboten des sich aus Skandinavien nähernden Kältetiefs, das ein Wetterexperte schon vor Tagen angekündigt hatte, bereits damit begonnen, ihren prächtigen weißen Schleier über dem tristen Asphaltgrau auszubreiten.
»Chef, warum wollen Sie denn jetzt auf einmal die Erdhöhle sehen?«, fragte Fouquet kurz nachdem Tannenberg den Zielort ihrer gemeinsamen Exkursion ausgesprochen hatte. »Die ganze Zeit über hat Sie der Pennermord doch gar nicht interessiert. Ich dachte, dafür sind Schauß und Geiger im Alleingang zuständig.«
»Ja, weißt du, ich bin in den letzten Tagen irgendwie den Eindruck nicht losgeworden, dass die beiden Herren vor lauter Geldgeschäften nicht mehr so richtig bei der Sache sind. Es geht einfach nicht vorwärts in dem Fall. Sag mal, was hältst du denn eigentlich von diesem ganzen Quatsch: Neuer Markt und so weiter? Deine Familie ist doch stinkreich und hat bestimmt viel Erfahrung in finanziellen Dingen.«
»Ich find das ja alles im Prinzip unheimlich spannend und faszinierend … Chef, Sie müssen sich mal folgendes vorstellen: Da sitzt einer in seinem Keller am Computer und bastelt an irgendeiner Software herum. Wenn er das geschafft hat, geht er damit zu ’ner Bank und stellt denen seine Geschäftsidee vor. Die prüfen das dann. Und wenn das auch nur einigermaßen erfolgversprechend aussieht, unterstützen sie ihn bei der Firmengründung und bringen das Unternehmen an die Börse.«
»So einfach geht das?«
»Ja, heutzutage schon. Und wenn die Sache gut vermarktet wird, reißen die Anleger ihnen die Aktien aus den Händen. Bei dem Börsengang streicht die Bank hohe Provisionen ein. Der Unternehmensgründer wiederum hat auf einmal so viel Kapital, dass er damit stark expandieren kann, andere Firmen übernehmen kann usw.«
»Das ist ja wirklich interessant.«
»Da kann man wohl sagen, Chef. Aber wissen Sie, meine Eltern sind in ihren Geldanlagen sehr konservativ. Mein Vater hält zum Beispiel von diesen neuen Firmen überhaupt nichts. Das wären nur gigantische Luftblasen, die irgendwann mal mit einem lauten Knall platzen würden. Außerdem seien sie völlig überbewertet und auch deshalb für ihn total uninteressant, weil sie keine Dividenden bezahlen. Er sagt immer nur: What goes up, must come down!«
»Spinning wheel, turn around!«, ergänzte Tannenberg.
»Was?«
»Ach, vergiss es! Das war nur so’n Song aus meiner Jugendzeit. Ich glaub von der Gruppe ›Blood, Sweat & Tears‹«, antwortete der Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission und drehte sich plötzlich verwundert in Richtung seines jungen Mitarbeiters. »Wieso willst du denn hier nach links abbiegen? Ich denke, ihr habt den Toten im Wald hinter der Panzerkaserne gefunden. Da musst du aber noch’n Stück weiter auf der Mannheimerstraße bleiben und erst nach dem Einkaufszentrum nach rechts abbiegen! Wo du eben hingewollt hast, ist doch die Daennerkaserne!«
Kommissar Fouquet sah sich nicht im Geringsten dazu veranlasst, auf den belehrenden Einwurf Tannenbergs zu reagieren und die Fahrspur zu wechseln, sondern er
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