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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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alten Mann hier ...« – Er deutete auf die zugedeckte Leiche. – »... war der Tod jedenfalls eine Erlösung. Bauchspeicheldrüsenkrebs im Endstadium. Der arme Kerl muss in den letzten Wochen entsetzliche Schmerzen gelitten haben.«
    »Sie haben ihn doch nicht aufgeschnitten?«, fragte Rath erschrocken. »Ich habe vorhin doch eigens noch hier angerufen und beim Pförtner ...«
    »Ich werde mich hüten, die Leiche eines gläubigen Juden zu öffnen«, sagte Schwartz. »Dazu müsste ich schon einen wirklich triftigen Grund haben. Ich habe mir die Krankenakte vom Kollegen Friedländer kommen lassen.«
    »Also doch ein natürlicher Tod.«
    »Wie gesagt: schwer zu sagen. Spuren äußerer Gewalteinwirkung habe ich an seinem Körper nicht gefunden – abgesehen von den Einstichstellen einiger Injektionen. Aber die Blutuntersuchung hat etwas ergeben: eine hohe Konzentration Morphin, über tausend Nanogramm pro Milliliter.« Doktor Schwartz schaute erst Rath und dann Tornow über den Rand seiner Brille an. »Doktor Friedländer hat mir versichert, dem Patienten Morphium nur inMaßen verabreicht zu haben, und ich sehe keinen Grund, daran zu zweifeln.«
    »Und?«, fragte Rath, »das heißt?«
    Schwartz hob die Schultern. »Das müssen Sie herausfinden. Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass jemand nachgeholfen hat, um dem Todkranken unnötiges Leiden zu ersparen.« Er deutete mit dem Kopf zur Schwingtür, hinter deren Milchglasscheibe der Schatten des betenden Flegenheimer hin und her wippte. »Es ist Ihre Sache, ob Sie dieser – ich sage mal: vagen – Vermutung nachgehen. Sollte es einer aus der Familie gewesen sein, dürfte er mit seinem Gewissen genug bestraft sein. Einem gläubigen Juden ist so etwas wie Sterbehilfe unter allen Umständen, selbst den schlimmsten, verboten.« Schwartz schaute über seine Brille. »Immerhin haben wir Juden Hiob erfunden, vergessen Sie das nicht.«
    70
    W enigstens gab es hier ein Café, und sie musste sich nicht auf der Straße herumdrücken. Wie stellten die sich das denn vor? Eine Beschattung? Ohne Auto? Charly rührte in ihrer Kaffeetasse und schaute aus dem Fenster. RACHE FÜR BENNY S. stand an der Hausfassade auf der gegenüberliegenden Straßenseite geschrieben.
    Die Überwachung von Hauptwachtmeister Jochen Kuschke, das war definitiv der Teil ihrer Abmachung, den sie als lästige Pflichtübung ansah – während sich die Suche nach Alex durchaus mit ihren eigenen Intentionen deckte. Nun also die Pflicht. Die hatte sie eigentlich eher nebenher laufen lassen wollen, schließlich sollte sie Kuschke nur nach Feierabend beobachten, so war es vereinbart, doch das Telefonat mit Lange heute Mittag hatte ihr einen Strich durch diese Rechnung gemacht. Der Kriminalassistent hatte mit einer überraschenden Neuigkeit aufgewartet. »Kuschke wird heute vorläufig beurlaubt«, hatte er gesagt. »Das ändert unsere Pläne.«
    Vor allem hatte es Charlys Pläne geändert. Ursprünglich hatte sie vorgehabt, Gereon zu überraschen und mit ihm irgendwoMittag essen zu gehen, wo doch schon aus einem gemeinsamen Frühstück nichts geworden war. Stattdessen saß sie nun hier. Lange hatte ihr Kuschkes Adresse genannt, in der Winterfeldtstraße, eine solide bürgerliche Gegend, und auch schon von dem Café erzählt, das sich bestens als Beobachtungsposten eigne. Er hatte recht gehabt. Wie geschaffen für ihre Zwecke, ansonsten wäre sie wahrscheinlich verzweifelt. Sie saß an einem Fensterplatz, direkt hinter einem Vorhang, und hatte den besten Ausblick nach draußen. In umgekehrter Richtung war die Sicht weniger gut wegen der Spiegelungen in der Scheibe, das hatte sie schon feststellen können, bevor sie hineingegangen war. Wie verabredet, hatte sie zunächst Lange angerufen, nachdem sie das Café betreten hatte, noch bevor sie sich ihren Platz am Fenster gesucht hatte.
    »Ich bin hier«, hatte sie gesagt, leise, damit die Bedienung hinter der Kuchentheke nicht mithören konnte. »Und was ist, wenn unser Mann nun gar nicht zuhause ist?«
    »Er ist zuhause, glauben Sie mir. Ich denke, Sie müssten ihn auch bald zu Gesicht bekommen.«
    Lange sollte recht behalten. Charly hatte gerade Milch in ihre zweite Tasse Kaffee gegeben und die erste Zigarette angezündet, da öffnete sich die Tür, und ein Mann trat aus dem Haus. Er war nicht zu verkennen mit seinem Verband quer über dem Gesicht. Charly musste daran denken, dass dieser Mann, der höchstwahrscheinlich ein Mörder war, Alex dieses Souvenir zu

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