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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Hörte sich schlimmer an als eine Bande Randalierer, die dem Haftrichter vorgeführt werden sollte. Charly wollte das Getöse zunächst ignorieren, doch der Lärm riss nicht ab.
    Schließlich legte sie die Juno in den Aschenbecher und stand auf. »Kleinen Moment«, sagte sie zu dem Mädchen und öffnete die Tür zum Gang. Dort herrschte helle Aufregung, die meisten Büros standen sperrangelweit offen, alles hatte sich auf dem Gang versammelt, überall standen heftig diskutierende und gestikulierende Grüppchen. Einige mit Handschellen gefesselte Gestalten wurden von Uniformierten hereingebracht, ihre Kleidung machte einen zerlumpten Eindruck, wobei nicht genau auszumachen war, ob die zerrissenen Hosen nicht vielleicht auch Folge einer Schlägerei waren, denn die meisten Männer hatten Schrammen an den Armen oder im Gesicht, einer hielt sich eine Mullbinde auf eine blutende Platzwunde an der Stirn. Und alle sprachen und brüllten wild durcheinander. Der grobschlächtige Wachtmeister vom 81. Revier, den Charly eben noch zusammengefaltet hatte, saß zusammengesunken wie ein Häufchen Elend auf der Holzbank, auf der sonst die armen Sünder warten mussten, das Gesicht in den Händen vergraben. Die Frau vom Jugendamt versuchte vergeblich, den Mann zu trösten.
    »Was ist denn hier los?«, wollte Charly wissen.
    Die Frau hob die Schultern. »Arbeitslose, die sich auf der Frankfurter Allee zusammengerottet haben. Sollen einen Polizisten erschossen haben, hat eben jemand erzählt.« Sie deutete mit ihren Augen auf den Schupo. »Ich hab den Namen nicht verstanden, aber war wohl ein Freund von unserem Wachtmeister hier.«
    »Die haben Emil ermordet, diese Schweine, diese Ratten!« Der Schupo hatte sich so plötzlich aufgerichtet und losgebrüllt, dass die beiden Frauen zusammenzuckten. Der Mann schien jegliche Contenance verloren zu haben, sein Gesicht war dunkelrot angelaufen. »Man sollte sie alle abknallen! Diese Scheißkommunisten!«
    Plötzlich sprang er auf und wollte einem hageren Mann an den Kragen, der gerade in Handschellen vorübergeführt wurde. Zwei Kollegen mussten ihn niederringen.
    Verdammt, was ist das nur für ein Tag heute, dachte Charly.
    Ob der Wachtmeister überhaupt einsatzfähig war oder sie einen Ersatzmann anfordern musste, konnte sie später noch entscheiden; erst musste sie sich um die Ausreißerin kümmern. Als Charly sich wieder dem Raum zuwandte und die Tür schließen wollte, erstarrte sie. Der Stuhl, auf dem das Mädchen eben noch so verkrampft und verschüchtert gesessen hatte, war leer; im Aschenbecher qualmten zwei Zigaretten. Und das Fenster zur Magdalenenstraße stand offen. Charly stürzte ans Fensterbrett und schaute hinaus auf die Straße. Das Mädchen war verschwunden. Sie spürte, wie ihr die Knie wegzusacken drohten, und stützte sich ab.
    Das hatte ihr gerade noch gefehlt.
    23
    E rst jetzt, wo sie zur Ruhe gekommen war, merkte sie, wie stark der Schmerz durch ihre müden Knochen pochte. Sie hockte hinter dem Opel, hinter dem sie Schutz gesucht hatte, und hielt sich den Knöchel. War wohl doch ein paar Meter zu hoch gewesen, aber hatte sie eine andere Wahl gehabt? Als die Frau, diese Richtergehilfin oder was sie darstellen sollte, aufgestanden und zur Tür gegangen war, hatte Alex ihre Chance gewittert. Bei dem Lärm draußen auf dem Gang hatte kein Mensch gehört, wie sie dasFenster geöffnet hatte, obwohl es etwas quietschte. Sie war aufs Fensterbrett geklettert und hatte nicht lange überlegt, kurz hinuntergeschaut und das breite Sims über dem Parterrefenster entdeckt, auf das sie sich ohne Probleme hatte hinablassen können. Immer noch über zwei Meter bis aufs Pflaster, doch sie hatte keine Zeit gehabt, es musste schnell gehen, bevor die da drinnen etwas merkten. Und so war sie in die Hocke gegangen und hatte sich am Sims hinabgehangelt, einen kurzen Moment so verharrt, die Beine in der Luft baumelnd, und dann losgelassen. Ein heftiger Schmerz war ihr ins linke Bein geschossen, doch sie hatte sich gleich wieder aufgerappelt und humpelnd hinter den Opel gerettet, der nur ein paar Meter weiter parkte. Ein kleiner Junge auf seinem Tretroller war der Einzige, der ihre Flucht beobachtet hatte. Neugierig schaute er auf das Mädchen, das da zwischen den Autos am Straßenrand hockte. Alex legte den Zeigefinger an die Lippen, und der Kleine nickte verständnisvoll.
    Sie schaute noch einmal auf das Fenster, aus dem sie geklettert war. Eben hatte die Gerichtsfrau dort hinausgeschaut und

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