Goldstück: Roman (German Edition)
sagen, ich war davon so beeindruckt, dass ich Frau Schäfer weiterempfohlen habe.«
»Dann weiß Daniel …«
»Nein«, unterbricht sie mich. »Nichts weiß er. Weder dass ich ein Coaching gemacht habe, denn in meiner Position erzählt man so etwas nicht.« Sie hört auf zu sprechen.
»Aber dann weiß er …«, setze ich an.
»Nein«, fällt sie mir wieder ins Wort. »Er weiß auch nicht, dass Sie überhaupt nicht Kirsten Schäfer sind. Ganz im Gegensatz zu mir.«
Wüsste ich es nicht besser, würde ich ihr Lächeln jetzt fast als freundlich deuten.
»Frau Beckstein«, fange ich hektisch an zu erklären. »Die ganze Sache ist durch ein riesiges Missverständnis entstanden, das ich schon die ganze Zeit aufklären wollte, ich …«
»Ich bin an Ihren Erklärungen nicht interessiert.«
»Nein?«
»Nein«, stellt sie fest. »Es gibt nur eine Sache, an der ich interessiert bin: Daniel Unverzagt. Deshalb möchte ich Sie höflich bitten, in Zukunft die Finger von ihm zu lassen.«
Sache? Daniel ist für sie eine Sache? Hat die ’nen Knall? Finger von ihm lassen? Doppelknall?
»Ich glaube, ich verstehe nicht ganz, was Sie meinen.«
»Doch. Das verstehen Sie schon. Sie verschwinden aus Daniels Leben, und zwar sofort.«
»Aber, aber … Sie haben ihn doch verlassen!«
»Menschen ändern ihre Meinung.«
»Ja, das tun sie«, gebe ich mich mit einem Mal kämpferisch, wobei mir schleierhaft ist, wo dieser Mut so plötzlich herkommt. Muss ein Adrenalinstoß sein. »Und Daniel liebt jetzt eben mich.«
Sarah Beckstein lässt ihr perlendes Lachen erklingen. »So? Er liebt Sie?«
»Ja.« Ich bin kurz davor, mit einem Fuß auf den Boden zu stampfen. »Er will mit mir zusammen sein und nicht mit Ihnen!«
»Ich glaube, da irren Sie sich. Daniel will mit Kirsten Schäfer zusammen sein. Nicht mit Ihnen.« Jetzt verschlägt es mir die Sprache. »Er hat sich in eine Frau verliebt, die erfolgreich als Coach arbeitet und ihren Mann steht. Genau solche Frauen hat Daniel schon immer bevorzugt – ich glaube kaum, dass er sich für eine gescheiterte Jura-Studentin erwärmen könnte, die ihn noch dazu nach Strich und Faden belogen hat. Sie wissen genau, dass das Daniels Achillesferse ist, bei Lügen ist er extrem empfindlich.«
»Woher wissen Sie, dass ich Jura …«
»Ich habe ein wenig mit Ihrem Nachbarn und Vermieter geplaudert. Herrn … Herrn …«
»Tiedenpuhl«, sage ich tonlos.
»Richtig, Herrn Tiedenpuhl. Ein netter Mensch! Noch dazu
so gesprächig, wirklich, ganz zauberhaft.« In meinem Kopf beginnt sich alles zu drehen, im sekündlichen Wechsel wird mir heiß und kalt. Sarah Beckstein seufzt bedauernd. »Was für eine tragische Geschichte, die Sache mit Ihrer Cousine! So jung und dann das, wirklich ein Jammer.« Noch ein Seufzer. »Herr Tiedenpuhl macht sich natürlich auch so seine Gedanken, wissen Sie? Er kennt ja Ihre Situation, nicht wahr? Also die wirkliche Situation, davon, dass Sie Leute bei angeblichen Coachings abzocken, hat auch er nicht die geringste Ahnung.«
»Das ist keine Abzocke«, verteidige ich mich. »Bisher waren alle Klienten mit mir sehr zufrieden!«
»Ob sie das auch noch sind, wenn sie erfahren, dass sie von einer Ex-Studentin ohne jede Ausbildung beraten wurden, die ansonsten in einem Sonnenstudio jobbt?«
»Warum nicht?« Ha! Da ist er wieder, mein Kampfgeist. »Und Daniel werde ich es auch erklären«, füge ich dann hinzu. »Wenn er mich wirklich liebt, wird er es verstehen und mir verzeihen, das werden Sie dann schon sehen.«
»Hm«, erwidert Sarah, »schon möglich, wer weiß. Was ich heute in der Firma so gehört habe, scheint er tatsächlich recht begeistert von Ihnen zu sein und ständig über Sie zu reden.« Mein Herz macht einen Hüpfer, vielleicht ist es doch noch nicht zu spät, und alles wird wieder gut! Sarah blickt wieder versonnen auf ihre Fingernägel. »Allerdings gibt es da noch das Finanzamt, und das ist von Steuerhinterziehung leider nicht so begeistert. Ich habe mir die Mühe gemacht, alte und neue Rechnungen zu vergleichen. Die Kontonummer hat sich geändert, die Steuernummer ist seltsamerweise geblieben. Oder haben Sie die etwa von Ihrer Cousine geerbt?«
»Nein«, sage ich reflexartig und korrigiere mich sofort, »also, ja, meine ich.«
»Ja?« Ein langer, fragender Blick.
»Ich wollte mich demnächst um eine eigene Steuernummer
kümmern«, bringe ich haspelnd hervor, »in den Wochen nach Kikis Tod ist alles so schnell gegangen, und ich wusste ja
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