Goldstück: Roman (German Edition)
ist unerträglich.«
»Also, was Daniel betrifft«, versucht Nadine, mich zu trösten, »ist er immerhin erwachsen und muss wissen, was er tut.«
»Die manipuliert ihn doch so, dass er gar nicht mehr weiß, wo unten und wo oben ist!«
»Ich weiß, wie schrecklich das alles gerade ist. Aber was hast du denn sonst für eine Wahl? Ich glaube, diese Beckstein kann dir richtig Ärger machen. Davon mal abgesehen«, fährt sie fort, »weißt du auch gar nicht, wie Daniel reagieren wird, wenn du ihm die Wahrheit sagst. Vielleicht will er dann eh nichts mehr von dir wissen, und du machst dir völlig umsonst Gedanken.«
»Stimmt natürlich«, meine ich, »das weiß ich nicht. Er hat immer wieder betont, wie schwer es ihm fällt, jemandem zu vertrauen, und wie sehr er Lügen hasst. Vermutlich jagt er mich eh vom Hof, wenn ich ihm alles beichte.«
»Warum hast du bloß mit diesem Irrsinn angefangen?«, will Nadine wissen. »Das war von Anfang an eine schwachsinnige Idee!«
»Na, wegen dieser Wunschliste«, verteidige ich mich. »Du weißt doch: Kiki wollte, dass ich meine Wünsche aufschreibe, das habe ich eben gemacht und mir gewünscht, dass ich irgendwie kurzfristig sechshundert Euro für Tiedenpuhl auftreibe. Als Daniel dann mit genau dieser Summe vor mir stand, dachte ich, die Gesetze der Anziehung hätten ihn geschickt.«
»Oh, dabei fällt mir was ein«, wechselt Nadine unvermittelt das Thema.
»Was denn?«
»Hab ich am Wochenende gefunden, als Ralf und ich schon mal angefangen haben, das Gästezimmer auszuräumen, damit wir es kindgerecht tapezieren können. Moment.« Sie springt auf, läuft hinaus und kommt wenige Minuten später wieder.
»Hier. Das ist doch deins, oder?« In der Hand hält Nadine die bunte Kladde, die Kiki mir geschenkt hatte. Mein Wunschbuch, das ich zu Hause überall gesucht habe. Jetzt erinnere ich mich: Am Abend meines Geburtstages, als ich bei Ralf und Nadine übernachtet habe, muss ich es hier liegen gelassen haben.
»Danke«, sage ich, und Nadine setzt sich wieder neben mich. Ich schlage das Buch auf und lese, was ich voller Wut in das Buch geschrieben habe, als ich hier auf dem Gästebett lag:
Ich führe Kikis Leben, bin erfolgreich, glücklich, zufrieden, und alle lieben mich!
Einige Momente lang betrachten Nadine und ich schweigend
meinen Eintrag. Dann sagt Nadine: »Weißt du, Süße, vielleicht war genau das der Fehler?«
»Was denn?«
»Dass du dir Kikis Leben gewünscht hast.«
»Glaubst du«, will ich wissen und spüre, wie ein dicker Kloß in meinem Hals entsteht, »dass ich damit alles heraufbeschworen habe? Dass ich überhaupt erst schuld daran bin, dass sie gestorben ist?«
Nadine lächelt. »Nein, das glaube ich ganz sicher nicht. Du hast dir ja nicht gewünscht, dass sie stirbt, sondern wolltest nur so sein wie sie.«
»Warum ist das ein Fehler?«
»Weil du nicht Kiki bist, du bist Maike. Als du selbst musst du glücklich werden, als du selbst bist du ein liebenswerter Mensch.«
Ich seufze. »Das Dumme ist nur«, erkläre ich dann, »dass mir das bisher nie klar war. Gerade jetzt würde ich alles dafür geben, wenn ich von Anfang an ich selbst geblieben wäre. Vielleicht hätte Daniel sich trotzdem in mich verliebt.«
»Vielleicht«, erwidert Nadine.
»Egal. Nun bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als das zu tun, was Sarah Beckstein von mir verlangt.« Ich sehe Nadine unglücklich an.
Sie streicht mir über die Wange. »Ich wünschte, ich könnte dir widersprechen. Aber ich sehe gerade keinen anderen Weg.«
Wieder muss ich schluchzen. »Das tut so weh!«
»Ich weiß.« Sie versucht sich an einem Lächeln. »Vielleicht bringt das Schicksal euch irgendwann wieder zusammen.«
»Ach, dieses blöde Schicksal!«, schimpfe ich wütend. »Damit hat alles überhaupt erst angefangen.«
»Warte es ab.« Nadine verleiht ihrer Stimme einen geheimnisvollen Klang. »Vielleicht hört es ja auch damit auf.«
»Momentan hört hier nur eines auf«, gebe ich düster zurück, »Daniels und meine Beziehung.«
»Wie willst du es machen?«, fragt Nadine. »Soll Ralf dich zu ihm fahren?«
Ich schüttele den Kopf. »Nein. Ich schreibe ihm eine Mail.«
»Findest du das nicht ein bisschen feige?«
»Ja. Aber ich werde das nicht schaffen, wenn er vor mir steht. Wenn ich ihn dabei ansehen muss, kriege ich das nicht hin.«
»Das verstehe ich. Willst du Ralfs Computer benutzen?«
»Ja, das wäre nett.«
Nachdem Ralf mir seinen PC hochgefahren hat, starte ich das
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