Goldstück: Roman (German Edition)
nicht mehr wiedersehen würde, habe ich mir einfach ein Herz genommen. Dachte mir, ich habe ja eh nichts zu verlieren. Ich hab ihr angeboten, auf sie zu warten, weil sie nach mir dran war, und sie nach überstandener Behandlung zur Belohnung auf ein Eis einzuladen. Dachte mir, Kühlung wäre bestimmt keine schlechte Sache.«
»Super Idee!«, stelle ich anerkennend fest.
»Barbara hat sofort ja gesagt, also sind wir nach dem Arzttermin ins Café und haben mit unseren lädierten und betäubten Mündern Eis gelutscht.« Bei der Vorstellung muss ich lachen. »Ja, das sah wahrscheinlich komisch aus! Wir konnten kaum reden und haben beide rumgenuschelt. Aber immerhin haben wir uns zum Abschied für den übernächsten Abend zum Kino verabredet. Und seitdem … Na, ich würde sagen, wir sind ein Paar.«
»Das ist ja echt toll«, freue ich mich. »Ich hätte nicht gedacht, dass es so schnell klappt!«
»Wieso nicht?«, will Markus prompt wissen.
Ups! Ich kann ihm wohl schlecht sagen, dass ich ihn rein optisch mehr in die Kategorie »schwer vermittelbar« einsortiert hätte.
»Ich meine«, erwidere ich schnell, »dass ich selbst immer wieder überrascht bin, wie gut das Gesetz der Anziehung funktioniert.«
»Frag mich mal!«, ruft er aus. »Ich bin nach wie vor total fassungslos.« Dann kichert er. »Als Barbara das erste Mal bei mir zu Hause war, hätte es aber beinahe Krach gegeben.«
»Warum das?«
»Ich hatte es in meinem Eifer wohl etwas übertrieben«, erklärt er. »Die Damenbinden und die zweite Zahnbürste im Badezimmer kamen nicht so gut an, Barbara dachte nämlich, ich hätte eine Freundin und ihr das verschwiegen.« Jetzt kichert er noch lauter. »Stell dir vor, sie hat mich für einen Womanizer gehalten!«
»Och«, meine ich, »das kann nie schaden. Konkurrenz belebt das Geschäft.«
»Ich habe sie natürlich sofort aufgeklärt und ihr von dir erzählt.« Oh, oh! Ob es so schlau ist, seiner neuen Flamme gleich zu beichten, dass man extrem auf der Suche war? »Fand sie total spannend«, zerschlägt Markus meine Bedenken, »sie will dich unbedingt kennenlernen und auch mal einen Termin bei dir machen.«
»Immer gern«, sage ich. »Neue Klienten sind hier herzlich willkommen.«
»So«, meint Markus. »Das war also die Geschichte, ein hundertprozentiger Erfolg. Mehr geht nicht.«
»Dann brauchst du mich jetzt eigentlich nicht mehr«, stelle ich fest. »Du hast dein Ziel ja bereits erreicht.«
»Na, ich will lieber vorsichtig sein«, erklärt Markus. »Sicher ist sicher, sooo lange kennen Barbara und ich uns noch nicht. Da können ein paar Visualisierungsübungen zur Festigung der ganzen Sache sicher nicht schaden.«
»Dann lass uns damit anfangen!«
Eine Stunde später verabschiedet Markus sich, und wir machen aus, dass wir uns die Tage mal zu einem Pärchenabend treffen. Markus, Barbara, Daniel und ich, zusammen kochen und dann was spielen, so richtig schön spießig und langweilig. Ich freu mich schon drauf.
Über Sarah Beckstein habe ich Markus dann doch nicht mehr ausgefragt. Zum einen ergab sich keine passende Gelegenheit, zum anderen möchte ich über Daniel nicht hinter seinem Rücken reden. Er wird mir schon sagen, wenn es da irgendetwas Wichtiges zu wissen gibt, zum Beispiel, wie er damit klarkommt, dass sie jetzt wieder in seiner Firma arbeitet.
Müde vom heutigen Tag, schleppe ich mich aufs Sofa, schnappe mir das Telefon und rufe Nadine an.
»Hallo?«, meldet sie sich nach dem dritten Klingeln.
»Na?«, will ich wissen. »Wie geht es der werdenden Mutter?«
»Hör bloß auf!«, stöhnt sie.
»So schlecht?«
»Im Gegenteil«, erklärt sie mir. »Mir geht es super – nur mein bezaubernder Gatte hält mich offensichtlich für eine Vollinvalidin.«
»Wieso das?«
»Zuerst einmal«, erzählt sie, »hat er Roger heute Morgen, als er mich zur Arbeit gebracht hat – ich darf ja ›in meinem Zustand‹, wie er es nennt, nicht mal mehr allein zum Briefkasten an der Ecke gehen –, im Detail auseinandergesetzt, dass ich in Zukunft keine Bänke mehr reinigen darf, weil das Desinfektionsmittel für mich und das Kind schädlich sei.«
»Was hat Roger dazu gesagt?«
»Nix«, erwidert Nadine, »ich habe ihm hinter Ralfs Rücken Zeichen gemacht, dass er auf das verwirrte Gefasel des werdenden Vaters nichts geben darf.«
»Auch nicht gerade nett von dir.«
»Ach, was! Ich lasse mich von Ralf doch nicht entmündigen!«
»Was noch?«, frage ich.
»Dann hat er mir eben eine
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