Goldstück: Roman (German Edition)
netten
Frau Hand in Hand spazieren geht. Bestens, dann visualisiert er schon, und das ist immer gut. »Sagen Sie, Frau Schäfer, das hier bleibt doch unter uns, oder?«
»Aber natürlich!«
»Ich meine, Daniel hat mir gesagt, dass er Sie noch ein paar anderen Mitarbeitern in unserer Firma empfohlen hat, und da wäre es mir sehr unangenehm, wenn von denen jemand wüsste, dass ich …«
»Seien Sie unbesorgt«, beruhige ich ihn. »Ich halte es da ähnlich wie mit der ärztlichen Schweigepflicht.«
»Tachchen!«, begrüßt mich Nadine, als ich am Nachmittag ins Studio komme.
»Holldriho!«, rufe ich ihr entgegen und lasse mich mit Schwung auf meinen Stuhl plumpsen.
»Na, du bist ja gut gelaunt«, stellt sie fest. »Was ist denn los?«
»Gar nichts ist los«, meine ich. »Ich bin einfach nur gut gelaunt, das ist alles. Oder ist das nicht erlaubt?«
»Doch, natürlich, wollte bloß nachfragen. Hätte ja sein können, dass es was Neues gibt.« Sie mustert mich eingehend. »So wie ich dich kenne, gibt es auch was Neues, du willst es mir nur nicht sagen.«
»Wieso sollte ich?«, tue ich unschuldig.
»Keine Ahnung«, erwidert sie. »Aber ich sehe dir an der Nasenspitze an, dass irgendwas los ist, du bist schon seit Tagen so anders.« Sie legt die Stirn nachdenklich in Falten. »Nur was könnte es sein? Neuer Job? Nein, dann hättest du hier schon gekündigt. Neuer Kerl? Na, das hättest du mir ja wohl hoffentlich gesagt!«
»Weder das eine noch das andere«, behaupte ich. Allerdings bin ich schon ein bisschen traurig, dass ich Nadine nichts von Daniel erzählen kann. Jedenfalls noch nicht. Denn dann wird
sie wissen wollen, wo ich ihn herhabe und wann sie ihn denn mal kennenlernt und … nun, das ist alles momentan noch ein bisschen schwierig. Aber mein »Es-wird-sich-alles-in-Wohlgefallen-auflösen«-Wunsch liegt ja in Kikis Schreibtischschublade und arbeitet von dort aus für mich.
»Wie du meinst«, sagt Nadine und packt ihre Sachen zusammen, weil für sie Feierabend ist. »Ich kriege es schon noch aus dir heraus, darauf kannst du dich verlassen.«
»Man kann nichts rauskriegen, was es nicht gibt«, kontere ich.
»Das werden wir ja sehen. Dir noch einen entspannten Nachmittag, ich gehe jetzt einkaufen und koche heute Abend was Leckeres für meinen Süßen und mich. So ein richtig schöner Abend zu zweit, wunderbar, so was müsstest du auch mal wieder haben.« Sie mustert mich eingehend, ob ich nicht doch irgendwie reagiere.
Aber ich wahre mein Pokerface. Wobei ich innerlich vor Vorfreude ganz hibbelig bin, wenn ich an Donnerstagabend denke. »Jaha«, flöte ich, »macht’s euch mal nett. Ich werde mich hier bis zehn Uhr amüsieren.«
»Okay«, verabschiedet Nadine sich. »Dann bis morgen.«
»Bis morgen!«
Ich verbringe den Nachmittag mit akkordmäßigem Solariumputzen, denn nachdem es heute schon wieder in Strömen regnet und gar nicht mehr aufhören will, sind fast alle Bänke übergangslos belegt. Mir soll es recht sein, denn alles ist besser, als sich hinterm Tresen zu langweilen und vor Verzweiflung sämtliche alten Galas , Buntes und InTouchs zum dritten Mal zu lesen. Auch der Gedanke daran, dass ich bei diesem Trubel leider nicht am Umsatz beteiligt bin, lässt mich ziemlich kalt. Hey, ich kriege siebzig Euro die Stunde, was brauche ich da eine Umsatzbeteiligung in dieser Bude hier?
Im Wesentlichen murkele ich den gesamten Tag allein vor mich hin, nur einmal schaut Roger kurz vorbei, verzieht sich aber nach einer halben Stunde schon wieder, weil er einen wichtigen Termin hat. Es geht um irgendeine neue Bräunungsmethode aus den USA, eine Art Farbdusche, die bereits von vielen Studios angeboten wird. Bei diesem Trend will Roger »den Zug nicht verpassen«. Na dann. Um kurz nach sechs taucht Stefan auf, bibbernd und pitschnass, seine Trainingsklamotten kleben ihm am Körper, Wasser tropft aus seinen Haaren, als wäre er soeben einer Badewanne entstiegen. Mittlerweile kommt Stefan auch hierher, und ich lasse ihn dann immer umsonst auf die Bank. Jedenfalls, wenn Roger nicht da ist, der würde mir natürlich den Hals umdrehen, wenn er das mitbekäme. Aber das ist eben meine kleine, feine Rache für die saumiese Bezahlung.
»Tach, Maike«, sagt Stefan. »So ein Scheißwetter da draußen – Hamburg macht seinem Ruf alle Ehre.« Er zittert regelrecht, und die Farbe seiner Lippen zeigt ein eindeutiges Lila-Blau. »An solchen Tagen macht es echt keinen Spaß, mit Kunden um die Alster zu joggen.
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