Golem - Schicksalstraeger
Hand.
Erst das schwarze Tuch der Nacht erlöste mich schließlich.
In der ganzen Zeit in der ich zu lesen hatte, schwieg Prophet. Immer sobald ich erleichtert die letzte Seite des Buches studiert hatte, und das Buch zuklappen wollte, füllte es sich mit neuem, unbekannten Inhalt.
Ich würde es nie zugeben, aber manches fand ich tatsächlich interessant, obwohl ich das Meiste postwendend wieder vergaß.
Trotzdem, die Zeit, die dadurch verstrich, war futsch. Dabei war sie mal wertvoll gewesen und hätte so schön sein können. Ich fühlte mich als stünde ich unter Silvanas Knechtschaft, obwohl es mir doch freistand alles hinzuwerfen und ihr den Rücken zu zukehren. Schande, denn erst viele Monate später fiel mir dieser Umstand auf.
Ich stapfte an diesem Tag zu Silvana und knallte ihr das Buch vor die Füße.
»Es reicht!«, schimpfte ich. Ich war im Begriff mich abzuwenden, um zu gehen, da sah ich Silvanas breites, überaus zufriedenes Grinsen.
»Endlich!«, seufzte sie erleichtert. »Ich hatte schon befürchtet mich geirrt zu haben. Zum Glück habe ich es nicht, sonst hättest du die letzte Zeit wahrlich vergeudet …«
Abrupt hielt ich mitten in der Bewegung inne, war erstarrt.
»Du … du willst mir doch nicht etwa sagen, dass ich bestimmt habe, wie lange … und …«
»Nun, du bist doch solange nicht auf den Gedanken gekommen mir alles vor die Füße zu werfen.«
»Aber … Aber ich hätte vorher …« Ich brach ab. So viel Zeit hatte ich verschwendet. Es war mein Wille gewesen, vermaledeiter Ehrgeiz!
»Ärger dich nicht«, sagte sie, streckte ihren Arm zu mir hoch und legte tröstend ihre Hand gegen meine.
Ich schüttelte ungläubig den Kopf. So viel Zeit; vertan!
»Es hatte seinen Sinn. Hoffentlich … Darüber habe ich mir Tag ein Tag aus den Kopf zerbrochen. Und du? Du warst währenddessen so unzufrieden. Hätte ich dir helfen können …« Kopfschüttelnd schaute sie zu Boden. Dann sah sie auf. »Ich war in Sorge um dich.« Es war dieser fürsorgliche Ausdruck in ihren Augen, der mir allzu vertraut war und mir bewusst machte, dass ich Silvana für meine Entscheidung verurteilt hatte.
Ja, so war das als Brocken, insbesondere als Brocken wie ich einer war. Ich musste die Täler, Steppen und Wälder durchstreifen können. Musste in die Berge gehen dürfen - überallhin. Musste frei sein. Hatte mich selbst in Ketten gebannt. Ob es nun Schicksal gewesen war, Silvana zu liebe oder aus meinem eigenen Ehrgeiz heraus Dinge bewältigen zu wollen, spielte das eine Rolle? Um ist schließlich um …
Ich schluckte.
»Silvana?«, fragte ich leise.
»Ja?«
»Gehen wir zusammen wandern? Ich nehm dich auch auf meine Schultern.«
Silvana sah mich sanftmütig an und nickte. Mit dem ersten Schritt weg von der Hütte und meinen ehemaligen Lesestübchen, breitete sich in mir Erleichterung aus.
Ich begann vor lauter Freude zu tanzen. Drehte mich im Kreise. Lachte. Silvana lachte ebenfalls. Wir waren wohl beide heilfroh, dass es vorbei war. Prophet ließ auch endlich wieder seine schönen Lieder erklingen.
Wir liefen am kristallklaren Fluss entlang, direkt zu seiner bodenlosen Quelle; ein rundes, brausendes und spritzendes Loch, das nur ein paar Meter maß. Silvana kletterte vorsichtig von meinem Rücken, ging zu Quelle und genehmigte sich einen Schluck dieses gesunden und leckeren wie auch berauschenden Wassers. Es hieß auch, es solle eine heilende Wirkung haben. Sogar da wo ich stand, konnte ich noch den leckeren Duft des Wassers riechen.
Hier an der Quelle war es zumindest noch all das. Sobald es aber weiter floss, verlor sich die Wirkung.
Etwas hickste. Ich sah mich um. Eine kleine Fee hatte wohl zu viel von dem Wasser getrunken. Sie torkelte und ich fürchtete schon sie würde in ihrem komischen Kurvenweg direkt ins Wasser platschen.
Silvana hielt mich zurück, als ich ihr zu Hilfe eilen wollte. Das kleine zierliche Geschöpf brachte es tatsächlich noch irgendwie fertig zu fliegen. Auch wenn ihr Flug recht ungleichmäßig und unsicher aussah.
»Trunkfee ist hier nun schon einige Monate regelmäßiger Stammgast. Sie kommt zurecht. Und du würdest schon durch die Dämpfe berauscht, also halt dich fern.«
»Halten sich Feen der Quelle nicht normalerweise fern?«, hinterfragte ich stirnrunzelnd.
»Ja«, antwortete Silvana achselzuckend. »Nicht Mal das Feenvolk hat eine Erklärung dafür.«
»Aber du hast eine Vermutung?«
»Ja, ich glaube, es liegt daran, dass sie sensibler auf Veränderungen
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