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Golem stiller Bruder

Golem stiller Bruder

Titel: Golem stiller Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Pressler
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dem Geruch nach Wasser, nach sonnenbeschienener Erde und gemähtem Gras. In der Ferne hörten sie die Fischer, die sich gegenseitig etwas zuriefen, aber ihre Worte waren nicht zu verstehen, in den Bäumen raschelte der Wind, Vögel riefen sich zum Sammeln und irgendwo heulte ein Hund.
    Jetzt erst erzählte Jankel seinem Freund, was der Rabbi am Abend gesagt hatte, und schloss mit den Worten: »Ich verstehe es selbst nicht, aber es macht mich traurig, dass Josef bald nicht mehr da sein wird.«
    »Warum?«, sagte Schmulik. »Er ist kein Mensch, er ist doch nur ein Golem.«
    Jankel nickte. »Ja, ich weiß, aber dennoch …« Er verschränkte die Arme unter dem Kopf und starrte in den Himmel, bis die grelle Sonne ihm Tränen in die Augen trieb. Er ließ sie einfach laufen.
    Schmulik schlug die Beine unter den Körper und legte die Hände auf die Knie, bevor er sagte: »Ich denke mir schon die ganze Zeit Geschichten vom Golem aus und übe heimlich, wie man sie am besten erzählt. Wenn ich erst Geschichtenerzähler bin, brauche ich viele Geschichten, mit denen ich die Leute dazu verführen kann, ihren Geldbeutel aufzumachen. Ich denke, die Golemgeschichten werden meine besten sein. Bestimmt werden sich alle darum reißen, sie zu hören. Soll ich dir eine erzählen?«
    »Ja«, sagte Jankel und machte die schmerzenden Augen zu. Hinter seinen geschlossenen Lidern tanzten rote und grüne Flecken.
    »Also höre«, fing Schmulik an. »Es war in den Tagen vor Pessach* und die Frau des Rabbis arbeitete sich einen krummen Rücken bei all den Vorbereitungen. Sie musste putzen und fegen und das ganze Haus saubermachen, gründlich, um ja keinen Rest von Gesäuertem zu übersehen. Sie hatte schon den ganzen Vormittag geputzt, als sie zu ihrem Ärger feststellen musste, dass der Wasservorrat zu Ende war. In diesem Moment sah sie den Golem, der am Haus vorbeiging, und rief ihn herein. Sie hatte nicht vergessen, dass ihr Mann ihr verboten hatte, den Golem für Tätigkeiten im Haushalt zu gebrauchen, doch weil sie vor lauter Arbeit nicht wusste, wo ihr der Kopf stand, befahl sie ihm: ›Josef, hier sind zwei Eimer, geh und hole Wasser.‹
    Der Golem nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte, nahm die beiden Eimer und machte sich auf den Weg zum Brunnen, und die Frau des Rabbis beruhigte sich damit, dass ein einmaliger Auftrag ja nichts schaden könne, denn einmal ist keinmal, wie man so sagt.
    Weil sie ohne Wasser im Moment sowieso nicht weiterputzen konnte, beschloss sie, schnell noch bei ihrer Tochter vorbeizuschauen, um ein wenig gekochte Seife zu holen, die ebenfalls knapp wurde. Aber wie das so ist, wenn zwei Frauen ins Plaudern geraten, vor allem wenn sie Mutter und Tochter sind – der Besuch zog sich ein wenig in die Länge.
    Als die Frau des Rabbis auf dem Rückweg in ihre Gasse einbog, sah sie, dass sich vor ihrem Haus viele Leute versammelt hatten, mit den Händen fuchtelten und auf die Haustür deuteten. Plötzlich spürte sie auch, dass ihre Schuhe und ihre Füße nass wurden. Sie erschrak und blickte zu Boden. Die Gasse glich einem seichten Bach, und sie musste ihre Röcke anheben, um durch das Wasser zu waten. Die Menge starrte sie neugierig an, trat aber sofort zur Seite und teilte sich vor ihr, wie sich einst das Rote Meer vor Moses teilte. Und da sah sie, wie Wasser aus ihrer Haustür schwappte, die Stufen herunterplätscherte und auf die Gasse lief.
    ›Ein Wunder ist geschehen‹, sagten die Leute, ›im Haus des Hohen Rabbis ist eine Quelle entsprungen.‹
    Doch die Frau des Rabbis dachte sogleich an den Golem, und da kam er auch schon mit zwei vollen Eimern, nass bis auf die Haut, drängte sich durch die Menge der Gaffer, verschwand im Hausflur, kehrte mit zwei leeren Eimern zurück und rannte wieder zum Brunnen. Und bevor die Frau des Rabbis, die erst einmal entsetzt stehen geblieben war, sich gefasst hatte, erschien er bereits wieder, mit zwei vollen Eimern in den Händen.
    ›Der Rabbi kommt, schaut, dort kommt der Rabbi‹, riefen die Leute. ›Rabbi Löw, in deinem Haus ist eine Quelle entsprungen, ein Wunder, vielleicht ist es heilendes Wasser, Rabbi Löw …‹
    Die Frau des Rabbis lief ihrem Mann entgegen. ›Hilf mir, Löw, das ganze Haus steht unter Wasser‹, schrie sie ihm schon von weitem zu.
    Der Golem kam mit leeren Eimern aus dem Haus und rannte bereits wieder in Richtung Brunnen. Der Rabbi verstand sofort, was geschehen war, schnell packte er den Golem am Ärmel und sagte: ›Hör auf, Josef, es

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