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Golem stiller Bruder

Golem stiller Bruder

Titel: Golem stiller Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Pressler
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der stille Bruder meiner Seele.
    N ach dem Mittagessen, bei dem Jankel nicht viel gegessen hatte und jedem Gespräch ausgewichen war, sagte Mendel: »Mir reicht es, Jankel, wenn ich dein Gesicht anschaue, werde ich selbst ganz trübsinnig, und es steht geschrieben: Ein betrübtes Gemüt lässt den Leib verdorren . Weißt du was? Du und Schmulik, ihr bringt jetzt die vier Brotlaibe, die Reb Meisls Köchin bestellt hat, zum Dreibrunnenplatz, und dann macht ihr noch einen Spaziergang an der Moldau, die Sonne wird dir guttun und die frische Luft wird die Trübsal aus deinem Herzen vertreiben. Geht, es ist ein so schöner Tag heute, und wer weiß, wie viele solcher Tage wir noch erleben dürfen, bevor die langen, grauen Monate beginnen.«
    Schmulik strahlte über das ganze Gesicht und Jankel nickte dankbar. Sie schüttelten ihre Kleider aus, kämmten sich das Mehl aus den Haaren und wuschen sich Gesicht und Hände, dann ergriff Schmulik den Korb mit den Laiben und sie liefen los.
    Die Sonne wärmte seine Haut, und Jankel spürte, wie die Traurigkeit langsam von ihm abfiel. Doch am Lehrhaus blieb er plötzlich stehen und schaute zur Bank hinüber. Dort saß Josef, seine schwere Gestalt war zusammengesunken, seine Augen waren geschlossen, als würde er schlafen. Und für einen Moment schien sich die Sonne zu verdunkeln.
    »Ist etwas mit Josef?«, fragte Schmulik, der seinem Blick gefolgt war, und Jankel antwortete: »Später.« Er brauchte noch Zeit.
    Langsam und schweigend gingen sie weiter, bis sie am Dreibrunnenplatz ankamen. Die Freude, mit der sie in Reb Meisls Haus empfangen wurden, war geradezu überschwänglich. Jojne, der Diener, der ihnen die Tür aufmachte, schlug die Hände über dem Kopf zusammen und lief ihnen, noch immer hinkend, aufgeregt voraus in die Küche. »Henia!«, rief er. »Henia, der Junge ist da, du weißt schon, Jankel, der Neffe des Hohen Rabbis, dem wir die Rettung unseres Herrn verdanken, der Ewige möge ihn segnen.«
    Henia, die Köchin mit den schönen schwarzen Augen, rannte auf Jankel zu und schlug, bevor er ausweichen konnte, ihre weichen Arme um ihn. Sie küsste ihn auf die Wangen, die Augen, die Nase, wo ihre Lippen ihn trafen, und ein schwerer, süßer Duft nach Nahrung und nach Weiblichkeit hüllte ihn ein und raubte ihm für einen Moment den Atem. Verlegen befreite er sich aus ihrer Umarmung und sah gerade noch, wie Schmulik beide Hände vors Gesicht hob, um sein Grinsen zu verbergen. Er grinste zurück und zuckte, als die Köchin sich umdrehte, hinter ihrem Rücken mit den Schultern.
    »Wollt ihr etwas essen?«, rief Henia. »Surele, bring doch mal den kalten Braten. Oder wollt ihr lieber ein Rebhuhn? Hühnersuppe? Gefüllten Karpfen? Gesottene Eier? Ihr braucht nur zu sagen, was ihr möchtet.«
    Sie wehrten ab. »Danke, wir haben gerade gegessen«, sagte Schmulik und Jankel nickte. Doch die Köchin ließ sich nicht abhalten, sie lief zur Speisekammer und füllte ihren Korb mit allen möglichen guten Dingen. »Alles weder milchig noch fleischig, ihr könnt es einfach essen«, versicherte sie, bevor sie sie unter Segenswünschen gehen ließ.
    Der Korb war nun fast so schwer, wie er vorher mit den Brotlaiben gewesen war. Jankel streckte die Hand aus, um Schmulik beim Tragen zu helfen, und plötzlich fiel ihm auf, dass er inzwischen schon fast so groß geworden war wie sein Freund.
    Sie gingen das Ufergässchen hinunter zur Moldau, die breit und gemächlich fließend vor ihnen lag. Ein paar Fischer waren mit ihren Booten draußen und zogen Netze durch das Wasser und vor ihnen flog ein Schwarm Vögel aus einem Baum auf und zog Richtung Süden und auf einer Wiese am anderen Ufer hatten sich Störche versammelt. Jankel und Schmulik spazierten am Ufer entlang, bis sie die Häuser hinter sich gelassen hatten. An einer schönen, sonnigen Stelle setzten sie sich ins Gras und packten den Korb aus. Es gab hart gekochte Eier, Äpfel, Pflaumen, Nüsse, geröstete Sonnenblumenkerne, in Essig eingelegte Kürbisstücke und eine Schachtel mit kandierten Früchten. Schmulik steckte sich eine gezuckerte Kirsche in den Mund, Jankel eine Erdbeere. So etwas Köstliches hatten sie noch nie gegessen. Die Früchte waren süß wie Honig und zergingen ihnen auf der Zunge, die Süße erfüllte ihren Mund und schien sich in ihrem ganzen Körper auszubreiten. Sie lachten und ließen sich rückwärts ins Gras fallen, die Sonne schien, die Moldau rauschte, in den Bäumen sangen Vögel und die Luft war erfüllt von

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