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Golem stiller Bruder

Golem stiller Bruder

Titel: Golem stiller Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Pressler
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vergehen, und ich werde nie etwas anderes tun, als zu warten, wie ich jetzt auf meinen Vater wartete. Und wie ich irgendwann auch auf Schmulik warten würde.

10. Kapitel
Angst
    M anchmal spürt man das Unheil schon, bevor es tatsächlich passiert, dann ist es, als flöge es wie ein Vogel über die Stadt und der Schatten seiner Flügel falle auf diesen oder jenen, zufällig, wie es scheint, doch irgendwann muss man entdecken, dass es kein Zufall war.
    In der Backstube war es heiß und stickig, daran war nichts Besonderes, doch alle spürten, dass an diesem Tag eine seltsame Spannung in der Luft lag. Selbst Mendel, sonst ein ausgeglichener und freundlicher Mann, verhielt sich an diesem Morgen ungewöhnlich gereizt. Als er den Teig für die Brotlaibe abwog und Schmulik ihm immer wieder Portionen reichte, die zu leicht oder zu schwer waren, fuhr er ihn an: »Kannst du nicht besser aufpassen? Falsche Waage ist dem Herrn ein Gräuel, aber ein volles Gewicht ist sein Wohlgefallen , das habe ich dir schon oft genug gesagt. Also noch einmal: Wiegt das Brot zu wenig, gibt es Strafen von der Obrigkeit, und wiegt es zu viel, verschenkt der arme Bäcker etwas von seinem ohne hin geringen Verdienst und kann bald betteln gehen. Du arbeitest doch schon lange genug hier, um ein Gefühl für das richtige Gewicht zu haben.«
    Schmulik stieg die Röte aus dem Hals ins Gesicht, er duckte sich unter diesem Tadel und zog den Kopf ein, als würde er geschlagen, sagte jedoch kein Wort und arbeitete weiter, aber Jankel sah, dass seine Hände zitterten, als er die nächste Portion abstach. Dabei war diese Arbeit heute einfacher, der Teig war diesmal nicht so klebrig wie sonst, sondern glatt und geschmeidig, weil Mendel auf Wunsch Henias, der Köchin von Reb Meisl, dem üblichen Roggenmehl eine gehörige Portion Weizenmehl beigemischt hatte. Jankel bestrich die gewogenen und geformten Teiglinge, die Mendel auf den Tisch legte, mit Salzwasser, und Anschel kümmerte sich um das Feuer im Backofen, er schob mit dem Kess die Glut so lange herum, bis die Steine weiß wurden und damit die richtige Hitze zum Backen anzeigten.
    Als die Bäckersfrau sie zum Mittagessen rief, blieb Mendel in der Backstube, um das Brot einzuschießen und um auf die richtige Hitze während des Backvorgangs zu achten. »Soll ich …«, fing Jankel an, er schaute unschlüssig vom einen zum anderen, schließlich folgte er Schmulik und Anschel in die Küche. Zu Jankels Enttäuschung war Fejgele nicht da, und auch Malke, Mendels kugelrunde Frau, war nicht so fröhlich wie sonst, sie stellte ihnen wortlos eine Schüssel mit rotem Borscht auf den Tisch und ließ sie allein.
    Sie setzten sich. Anschel brach das Brot und sprach den Segen, dann tauchte er den Löffel in die Suppe und fing an zu essen. Plötzlich legte er den Löffel wieder hin und sagte: »Nimm es dir nicht zu Herzen, Schmulik, es hat nichts mit dir zu tun, man kann es Mendel heute einfach nicht recht machen. Lea, seine älteste Tochter, soll verlobt werden, und auf einmal verlangen die Eltern des Bräutigams, dass Mendel, zusätzlich zur Mitgift, das Paar noch zwei Jahre lang ernährt, damit der junge Mann weiter die Toraschule besuchen kann.« Er seufzte. »Es ist nicht leicht, wenn man drei Töchter hat, und es ist noch schwerer, wenn man gelehrte Männer für sie haben möchte.«
    So viele Worte hatte Jankel noch nie aus Anschels Mund gehört, er warf ihm von der Seite einen erstaunten Blick zu, doch das Gesicht des Mannes sah genauso missmutig aus wie sonst.
    Schmulik hörte auf zu essen und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Und warum will er unbedingt gelehrte Männer für sie? Warum gibt er sich nicht mit einem Handwerker zufrieden?«
    Anschel zuckte mit den Schultern. »Ein gelehrter Schwiegersohn ist eine Ehre für die ganze Familie, das weißt du doch«, sagte er.
    »Ach ja, die Ehre«, stieß Schmulik aus, und in seiner Stimme lag ein Hohn, den Jankel noch nie an ihm bemerkt hatte. »Aber ob die Gelehrten auch gute Ehemänner für seine Töchter sind, ist ihm egal. Weiß er nicht, dass ein trockener Bissen mit Frieden besser ist als ein Haus voll Geschlachtetem, in dem Zwietracht herrscht? Sonst ist es ihm doch auch so wichtig, was geschrieben steht.«
    Jankel schaute erstaunt vom einen zum anderen. Anschel zuckte noch einmal mit den Schultern, er wollte offenbar etwas antworten, aber in diesem Moment ging die Tür auf und Fejgele kam herein. »Braucht ihr noch etwas?«, fragte sie mit

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