Golem stiller Bruder
einmal dreihundert Taler von mir«, erzählte Reb Meisl mit einer immer fester werdenden Stimme weiter. »Aber ich konnte sie ihm nicht geben, alles, was er besitzt, ist schon beliehen, doppelt beliehen. Als ich ihm das sagte, fing er an zu toben, er beschimpfte mich mit unflätigen Worten und drohte, er würde mich vernichten.« Reb Meisl schwieg, dann sagte er: »Ich muss gestehen, ich habe das nicht ernst genommen, was er sagte. Ich dachte, seine Enttäuschung und seine Wut würden sich bald wieder legen. Aber selbst wenn ich seine Worte ernst genommen hätte, hätte ich doch nichts unternehmen können.«
»Danke, Herr Meisl«, sagte der Richter, als Reb Meisl geendet hatte.
Nun sprach Doktor Balthasar. »Hohes Gericht«, fing er an. »Jetzt ist es wohl hinreichend geklärt, wie die Sache abgelaufen ist. Dieser Mann hier«, er deutete auf Kasimir Boskovicek, »hat die Tat mit böser Absicht geplant. Er wollte seinen Gläubiger mit Hilfe des Hohen Gerichts umbringen lassen, um seine Schulden loszuwerden und um seine bösen Rachegelüste zu befriedigen. Das ist ein Verbrechen. Er trägt nicht nur die Verantwortung dafür, dass ein unschuldiger alter Mann in den Kerker geworfen wurde und Todesängste ausstehen musste, er hat auch Unfrieden und Unruhe in unsere geliebte Stadt Prag gebracht, etwas, was sich so leicht nicht korrigieren lassen wird. Um seine Ziele zu erreichen, hat er auf hinterhältige Art und Weise diese beiden armen Männer hier benutzt, die sich allerdings auch schuldig gemacht haben, sie haben die schwere Sünde des Meineids auf sich geladen. Doch die Hauptschuld liegt bei ihm, bei Kasimir Boskovicek. Ich beantrage daher, dass alle drei festgenommen und in Kerkerhaft gehalten werden, bis das Hohe Gericht sein Urteil fällen wird. Außerdem beantrage ich, dass dieser ehrenwerte Jude, Reb Mordechaj Meisl, der unrechtmäßig im Kerker saß, sofort auf freien Fuß gesetzt wird, damit er nach Hause zurückkehren und sich von den Mühsalen der Haft erholen kann.«
Der Richter nickte. Er gab den Soldaten ein Zeichen, dass sie die drei Männer abführen sollten. Piontek Kovacz und Janusz Novák ließen es wehrlos geschehen, Piontek wandte den Kopf zur Seite, als er an seinem Bruder und dessen Frau vorbeigeführt wurde. Der Bauer setzte seine Mütze wieder auf und spuckte ihm vor die Füße. Kasimir Boskovicek widersetzte sich seiner Festnahme und versuchte immer wieder, seine Unschuld zu beteuern, doch die Soldaten waren stärker, sie überwältigten ihn und schleppten ihn mit Gewalt aus dem Gerichtssaal.
Der Richter erhob sich. »Im Namen des Kaisers«, sagte er, »der angeklagte Jude Mordechaj Meisl wird freigesprochen. Reb Meisl, Er kann gehen. Es soll keiner sagen können, dass bei einem kaiserlichen Gericht nicht Recht gesprochen würde. Ohne Ansehen der Person.« Doch seinem Gesicht war anzusehen, dass ihm diese Worte schwer über die Lippen gingen.
Er nickte Doktor Balthasar nur kurz zu und verschwand durch eine Tür, die ein sofort herbeigesprungener Diener für ihn aufgerissen hatte.
Der Hohe Rabbi Löw drückte seinem Freund die Hand. »Es ist, wie geschrieben steht: Der Gerechte wird aus der Not erlöst und der Gottlose kommt an seiner statt . Ich danke Euch, Balthasar, wir alle danken Euch von Herzen, der Ewige möge es Euch vergelten.«
Auch Reb Meisl ergriff die Hände seines Verteidigers und schüttelte sie. Tränen der Freude liefen aus seinen Augen, er war so gerührt, dass er seinen Dank nur stotternd über die Lippen brachte.
»Bedankt euch vor allem bei dem Jungen und seinem riesigen Helfer«, sagte Doktor Balthasar. »Ohne die beiden wäre die ganze Sache wohl nicht so gut abgelaufen. Und bedankt euch auch bei diesen beiden anständigen Menschen da«, er deutete auf den Bauern und seine Frau, die verlegen danebenstanden, »sie waren aufrecht und mutig genug, vor Gericht auszusagen.«
»Hoher Herr«, sagte der Bauer und nahm seine Mütze wieder ab. »Hoher Herr, dürfen wir unsere Tochter mit nach Hause nehmen, damit wir sie begraben können, wie es sich gehört?«
Zwei Gerichtsdiener trugen den kleinen Sarg hinaus, die Anwesenden folgten ihnen schweigend. Auch unter den draußen versammelten Juden brach kein Jubel aus, als sie Reb Meisl sahen, der, gestützt vom Hohen Rabbi Löw, aus der Tür trat. Sie wichen zur Seite und senkten die Köpfe, während der Sarg an ihnen vorbeigetragen und auf den Leiterwagen des Bauern gestellt wurde. Der Bauer und seine Frau setzten sich auf
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