Golem stiller Bruder
den Bock, der Mann ergriff die Zügel.
»Danke«, rief Jankel und streckte ihnen die Hand hin. Der Bauer nickte nur und fuhr los, seine Frau drehte sich um und winkte Jankel zu.
Reb Meisl stützte sich auf Henia, die Köchin, die sofort herbeigeeilt war. »Ich werde mich noch bei ihnen bedanken«, sagte er. »Später. Jetzt sind sie noch zu sehr gefangen in der Trauer um ihre kleine Tochter.«
Bedrückt machten sie sich auf den Weg zur Judenstadt, auch Jankel und Schmulik gingen schweigend nebeneinanderher. Erst als sie an der Teynkirche vorbei waren, änderte sich die Stimmung und vorsichtige Freude machte sich breit, sie fingen an zu reden, und Jankel musste Schmulik, Mendel, Anschel und anderen, die sich um sie scharten, erzählen, was sich im Gerichtsgebäude abgespielt hatte.
Als sie sich voneinander verabschiedeten, um in ihre Häuser zurückzukehren, sagte der Hohe Rabbi: »Kommt zum Abendgottesdienst in die Altneuschul. Denn es ist ein köstlich Ding, dem Herrn zu danken und zu lobsingen seinem Namen .«
Dann schickte er Josef zur Synagoge und ergriff den anderen Arm Reb Meisls, um ihn, zusammen mit Henia, der Köchin, nach Hause zu führen.
Schmulik umarmte Jankel. »Ich bin so stolz auf dich«, sagte er. »Mein Freund ist ein Held Israels, ein Retter unseres Volkes.«
Jankel errötete bei diesem Lob, aber er wehrte es ab. »Das war nicht ich«, sagte er, »es war Josef, er ist es, dem die Ehre gebührt.«
Schmulik zuckte mit den Schultern. »Ach, Josef«, sagte er, »der ist doch nur ein Golem. Nein, Jankel, du bist unser Retter. Ich bin sehr stolz auf dich und ich bin auch erleichtert, du hast meine Seele gerettet. Weißt du, was ich die ganze Zeit gedacht habe? Wenn dir etwas passiert, wenn der Ewige, unser Gott, uns so ungerecht behandelt, dann sollten wir uns vielleicht lieber von ihm abwenden.«
»So etwas darfst du nicht sagen«, rief Jankel entsetzt.
Schmulik lachte. »Ich habe es ja auch nur gedacht. Und jetzt ist sowieso alles wieder gut, dem Ewigen sei Dank.« Er packte Jankel um die Hüften und tanzte ausgelassen mit ihm herum. »Alles ist wieder gut, hörst du? Alles ist wieder gut. Und ich habe eine weitere Geschichte, die ich später erzählen kann. Und was für eine! Du wirst deine eigene Geschichte nicht wiedererkennen, wenn du sie einmal aus meinem Mund hören wirst.«
A lles ist wieder gut, hatte Schmulik gesagt. Er lachte und ich lachte mit ihm. Aber mein Lachen war nur äußerlich, nur mein Gesicht verzog sich, mein Herz blieb bedrückt.
Erst viel später, als ich abends im Bett lag, verstand ich, was es war, das mir das Herz schwermachte. Wenn es den Juden gut ging, wenn sie keine Hilfe mehr brauchten, war auch die Zeit eines Golems abgelaufen. Ich konnte mir die Judenstadt ohne Josef nicht vorstellen. Ich konnte mir auch das Haus des Hohen Rabbis ohne Josef nicht vorstellen. Mir war, als gehöre er zu meinem Leben.
15. Kapitel
Das Brüllen des Löwen
D ie Neuigkeit verbreitete sich schnell in der Judenstadt, sie stieg auf wie der Nebel über der Moldau und trieb in Schwaden durch die Gassen, drang in die Häuser, in die Stuben und in die Herzen ihrer Bewohner. Reb Meisl ist wieder zu Hause, er wurde freigesprochen, und dieser Jankel, der Neffe unseres Hohen Rabbi Löw, hat ihn gerettet, wir haben einen Helden, der Ewige, gelobt sei er, hat uns einen neuen Simson* geschenkt!
Und alle wollten diesen Helden sehen, so viele Kunden waren noch nie in Mendels Backstube gekommen wie in den Tagen danach, und ein jeder wollte die Geschichte von Reb Meisls Errettung aus dem Mund des Retters hören. Auch Mendels Frau erkundigte sich nach immer weiteren Einzelheiten, und Fejgele kam mindestens dreimal unter einem Vorwand in die Backstube und schaute Jankel mit großen Augen an. Und sogar Anschel klopfte ihm auf die Schulter, räusperte sich und sagte: »Wir sind alle sehr stolz auf dich.«
Jankel versuchte anfangs noch, die Rolle Josefs zu betonen, doch keiner ging darauf ein. »Jankel, was hast du dann gesagt? Jankel, was hast du dann getan?«, fragten die Leute und ignorierten seine Hinweise auf Josef, so wie sie Josef ignorierten, wenn sie ihn auf der Straße trafen.
I ch will nicht leugnen, dass mir diese Aufmerksamkeit schmeichelte, noch nie hatte mich jemand besonders beachtet, weder früher in Mo ř ina noch hier in Prag, und auf einmal hatte sich alles geändert. Wenn ich durch die Gassen ging, grüßten auch Männer zurück, die früher achtlos an mir vorbeigelaufen waren,
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