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Golem stiller Bruder

Golem stiller Bruder

Titel: Golem stiller Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Pressler
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Strohblonde verzweifelt und an allen Gliedern bebend.
    »Er lügt«, rief die Bäuerin, »er lügt, wenn er bloß den Mund aufmacht! Er hat es mit der Wahrheit noch nie so genau genommen.«
    Doktor Balthasar brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Und wie der Angeklagte sie getötet hat, hast du das auch gesehen?«, fragte er.
    Der Strohblonde schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er kleinlaut, »nein, ich glaube nicht.«
    Auf Reb Meisls Gesicht erschien ein Anflug von Farbe, und Jankel fühlte, wie ihm ein Stein vom Herzen fiel. Er schaute den Rabbi an, der nickte ihm zu und hob fast unmerklich den Daumen.
    »Aber vorhin hast du das noch beschworen«, sagte Doktor Balthasar. »Du hast bei Gott geschworen, dass du mit eigenen Augen gesehen hast, wie Reb Mordechaj Meisl das Mädchen umgebracht hat. Du weißt, dass Meineid ein Verbrechen ist, für das du hart bestraft werden wirst.«
    Der Mann senkte den Kopf. Die Bäuerin hatte sich wieder umgedreht und schlug nun mit beiden Fäusten auf ihren Schwager ein, der die Arme hob und versuchte, sich vor ihren Schlägen zu schützen. »Du Unmensch!«, schrie sie ihn an. »Unsere Hanka! Das Kind deines eigenen Bruders! Was für ein Hund bist du doch.«
    Niemand machte Anstalten, sie zurückzuhalten. Der Gerichtsdiener warf dem Richter einen fragenden Blick zu, doch dieser schüttelte den Kopf. Wie besessen schlug die Bäuerin auf den Strohblonden ein. Bis er aufgab. »Der Herr hat gesagt, ich soll es tun«, sagte er und deutete auf Kasimir Boskovicek. »Der Herr hat gesagt, ich soll ihm eine Leiche besorgen, egal woher.«
    »Lügner!«, rief Boskovicek. »Hohes Gericht, ich bin unschuldig. Diese beiden Männer hier sind zu mir gekommen und haben gesagt, sie hätten den Mord beobachtet. Ich habe nur meine Christenpflicht getan und es gemeldet, sonst nichts.«
    »Er hat gewollt, dass ich eine Leiche bringe«, sagte Piontek störrisch, »und er hat mir dafür dreißig Silbertaler versprochen.«
    »Bist du bereit, das zu beschwören?«, fragte Doktor Balthasar.
    Piontek hob die Hand, als wolle er sofort einen Eid leisten. »Ja, das bin ich«, sagte er.
    »Wie kann das Gericht einem glauben, der bereits einen Meineid geschworen hat?«, schrie Kasimir Boskovicek mit überschnappender Stimme.
    »Sei Er still!«, fuhr ihn der Richter an und befahl nun dem Kutscher, der mit gesenktem Kopf und zitternden Händen zugehört hatte, endlich ehrlich zu sagen, wie sich die ganze Sache zugetragen habe. Wenn er weiterhin lüge, verschlimmere er seine Lage nur noch.
    Der Kutscher drehte und wand sich, er schaute immer wieder von Kasimir Boskovicek zum Richter und zurück, doch er war offenbar schlau genug, zu erkennen, dass das Spiel verloren war, und gab schließlich zu, dass er gar nichts gesehen habe, dass ihr Herr, Kasimir Boskovicek, ihn und Piontek zu dieser Aussage gezwungen habe.
    »Lüge!«, schrie Boskovicek. »Zwei armselige Meineidige! Das Hohe Gericht wird doch nicht zwei armseligen Meineidigen mehr Glauben schenken als den Worten eines angesehenen Gutsherren, der …«
    Der Richter schlug mit der Hand auf den Tisch. »Halt Er den Mund!«, unterbrach er ihn zornig.
    Es dauerte nicht lange, da hatten Piontek und sein Komplize alles gestanden, auch wie sie mit der Kutsche nachts in die Judenstadt gefahren waren und die Leiche in den Keller des Hauses am Dreibrunnenplatz gebracht hatten. Ja, der Herr sei dabei gewesen, ja, er habe ihnen das Haus gezeigt, wie hätten sie es sonst wissen können, sie kannten sich in der Judenstadt nicht aus, nein, sie hatten den angeklagten Juden nie zuvor gesehen.
    Kasimir Boskovicek wollte sie immer wieder unterbrechen, aber der Richter fuhr ihn grob an, er solle auf der Stelle seinen Mund halten, sonst lasse er ihn gleich von den Schergen abführen.
    Danach rief Doktor Balthasar Reb Meisl vor den Richter und forderte ihn auf, freimütig zu berichten, ob er Kasimir Boskovicek schon begegnet sei und in welcher Beziehung er zu ihm stehe.
    Mit stockender Stimme, aber aufrecht stehend und ohne zu schwanken, erzählte Reb Meisl, dass er Kasimir Boskovicek insgesamt tausendfünfhundert Taler geliehen habe. »Ich kann dem Gericht die Schuldscheine vorlegen, die er vor Zeugen unterschrieben hat«, sagte er und fügte hinzu: »Vor ehrenwerten christlichen Zeugen.«
    Der Richter nickte und warf Boskovicek einen so verächtlichen Blick zu, dass dieser zusammenzuckte, als habe er einen Schlag ins Gesicht bekommen.
    »Vor zwei Wochen wollte er noch

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