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Golem stiller Bruder

Golem stiller Bruder

Titel: Golem stiller Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Pressler
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wie die Holzdecke bebte, als machten sich Geisterhände an ihr zu schaffen, und langsam fing sie an, sich zu senken. Im Saal war es totenstill geworden, nur das Knacken splitternden Holzes war zu hören, das immer lauter wurde, je tiefer sich die Decke senkte. Bewegungslos, wie versteinert, starrten alle hinauf zur Decke und ihre Atemzüge verwandelten sich in Keuchen und Stöhnen, und Jankel meinte zu riechen, wie ihre Angst wuchs. Tiefer sank die Decke, immer tiefer, und drohte die ganze Gesellschaft zu erschlagen.
    Plötzlich erwachte der Kaiser, er streckte flehend die Arme aus und schrie in höchster Verzweiflung: »Rabbi! Rabbi Löw, rettet uns!«
    Der Rabbi richtete sich auf und die Farbe kehrte in sein Gesicht zurück. Mit ein paar raschen Schritten war er neben dem Kaiser und hob die Arme. Die Decke war nun schon so tief, dass er sie mit den Händen erreichte. Er stemmte die Handflächen dagegen. »Josef!«, rief er und Josef löste seine Hände von Jankels Schultern, lief mit seinen unbeholfenen Schritten, fast stolpernd, zu einer anderen Stelle des Saals, hob ebenfalls die Arme und stemmte die Handflächen gegen die Decke. Wie zwei fleischgewordene Säulen standen sie da, der Rabbi und Josef, und stützten mit ihren Händen die Decke. Das unheimliche Knacken und Knistern hörte auf, das dumpfe Poltern erstarb.
    Nun kehrte das Leben in den Kaiser und sein Gefolge zurück. Der Kaiser erhob sich, schritt die Stufe herunter und bewegte sich, so schnell es seine Schärpe erlaubte, auf die Tür zu, die anderen folgten ihm in gebührendem Abstand. Erst als alle den Raum verlassen hatten, alle außer Jankel, ließen der Rabbi und Josef die Hände sinken. Wie durch ein Wunder blieb die Decke an ihrem Platz und senkte sich nicht tiefer.
    »Jankel«, sagte der Rabbi, »Jankel, hilf mir.«
    I ch sah ihn an. Sein Gesicht war alt und blass, alle Kraft schien aus ihm gewichen zu sein. Vor meinen Augen verwandelte es sich, wurde zu einer starren Maske, die Falten glätteten sich, die Haare und der Bart wurden dunkler, die Nase schmaler, die Lippen voller, und ich wusste, dass es das Gesicht meines Vaters war, das ich sah.
    J ankel«, sagte der Rabbi noch einmal. Jankel sprang auf und lief zu ihm hinüber und der Rabbi stützte sich auf seine Schulter. Das Gewicht des alten Mannes war so schwer, dass Jankel, der vom Fasten geschwächt war, Angst hatte, unter ihm in die Knie zu brechen. Doch er nahm seine ganze Kraft zusammen und führte den Hohen Rabbi Löw, seinen Onkel, aus dem Raum, der, sobald sie alle drei draußen waren, auf der Stelle von Dienern fest verschlossen wurde.
    Sie wurden wieder in den goldglitzernden Saal gebracht, und Jankel war froh, als sein Onkel endlich in den Sessel sank, in dem er vorher schon gesessen hatte. Der Rabbi nahm seine Hand und drückte sie, er sah noch immer sehr erschöpft aus, aber er lächelte und Jankel lächelte zurück.
    Ein aufgeregtes Flüstern erfüllte den Saal. Die Geretteten erzählten den Zurückgebliebenen, was ihnen geschehen war und in welcher Gefahr sie geschwebt hatten, und immer wieder warfen sie verstohlene Blicke zum Rabbi und zu Josef.
    Der Kaiser hob die Hände und alle wurden still. Seine Stimme war klar und feierlich, als er zu sprechen begann: »Keiner soll sagen, dass der Kaiser, der Herrscher Böhmens, nicht weiß, wem er Dank schuldet. Hiermit erklären wir vor Zeugen, dass Ihr, Rabbi Löw, den man den Hohen Rabbi nennt, als Dank dafür, dass Ihr uns gerettet habt, lebenslang unter unserem persönlichen Schutz steht. Niemand soll Euch ungestraft kränken oder Euch ein Leids tun dürfen. Dieses Dekret wird morgen öffentlich verkündet werden.«
    Alle klatschten, doch der Kaiser hob wieder die Hände, es wurde still. »Das ist noch nicht alles«, fuhr er fort. »Wir werden auch alle kaiserlichen Gerichte anweisen, die Beschuldigung des Ritualmordes nicht mehr zuzulassen. Die Juden unseres Reiches sollen von dieser ungerechten Last befreit werden, als Dank dafür, was einer von ihnen für uns getan hat.« Er nickte dem Rabbi huldvoll zu. »Nun, Rabbi Löw, seid Ihr zufrieden?«
    Der Rabbi erhob sich und verneigte sich vor dem Kaiser, Jankel tat es ihm nach. »Gepriesen sei der Schöpfer der Welt, er allein tut Wunder«, sagte der Rabbi mit fester Stimme, der nur noch ein leichtes Zittern anzumerken war. »Es steht geschrieben: Die Gnade des Königs ist wie Tau auf dem Grase . Der Ewige, gelobt sei er, schütze den Kaiser auf all seinen Wegen und schenke ihm

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