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Golem und Dschinn: Roman (German Edition)

Golem und Dschinn: Roman (German Edition)

Titel: Golem und Dschinn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Wecker
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Aufenthaltsraum eine gesehen und hätte sie ihm beinahe gebracht.«
    »Da wäre er aber überrascht gewesen.« Der Rabbi versuchte, einen lockeren Tonfall anzuschlagen. »Sie konnten sich aber zurückhalten.«
    »Ja. Aber es war schwierig.«
    »Ich glaube, Sie machen Fortschritte. Obwohl Sie sich mit den Makronen beinahe verraten hätten.«
    »Ich weiß.« Beim Gedanken daran zuckte sie zusammen, und der Rabbi lächelte. »Chava«, sagte er, »es ist eine grausame Ironie, dass Sie genau dann die größten Schwierigkeiten haben, wenn die Menchen in Ihrer Nähe sich von ihrer besten Seite zeigen. Wahrscheinlich wäre es viel einfacher für Sie, wenn wir alle Höflichkeit über Bord werfen und uns nehmen würden, wonach uns der Sinn steht.«
    Sie überlegte. »Am Anfang wäre es einfacher. Aber dann würden die Leute sich gegenseitig wehtun, um zu kriegen, was sie wollen, und hätten Angst voreinander und würden sich wieder etwas anderes wünschen.«
    Er nickte zustimmend. »Sie werden zur Studentin der menschlichen Natur. Glauben Sie, dass Ihre Fortschritte groß genug sind und Sie regelmäßig allein ausgehen könnten – sagen wir, um zu arbeiten?«
    Angst überkam sie, vermischt mit Aufregung. »Ich weiß es nicht. Ich bin nicht sicher,
wie
ich es herausfinden soll, außer indem ich es versuche.«
    »Michael hat mir erzählt, dass Radzins Bäckerei Gehilfinnen sucht. Ich kenne Moe Radzin seit vielen Jahren und habe gedacht, dass ich versuchen könnte, Ihnen dort eine Stelle zu verschaffen. Oder zumindest ein Vorstellungsgespräch.«
    »In einer Bäckerei?«
    »Es wäre harte Arbeit, und Sie wären viele Stunden mit Fremden zusammen. Sie müssten ständig auf der Hut sein.«
    Sie versuchte sich vorzustellen, wie es wäre, den ganzen Tag mit den Händen zu arbeiten, eine Schürze umgebunden und eine gestärkte Haube auf dem Kopf. Die Laibe ordentlich aufzureihen, ihre Unterseite noch staubig vom Mehl, und zu wissen, dass sie sie gebacken hatte.
    »Ich würde es gern probieren«, sagte sie.

Kapitel  7
    A n einem warmen Samstag im September stand der Dschinn ganz hinten in einem überfüllten Saal und sah zu, wie ein Mann und eine Frau nach maronitischem Ritus getraut wurden. Trotz der spürbaren Freude aller Anwesenden war er nicht gerade bester Stimmung.
    »Warum soll ich hingehen, wenn ich sie nicht einmal kenne?«, hatte er Arbeely am Morgen gefragt.
    »Du gehörst jetzt zur Gemeinde. Man erwartet, dass du bei diesen Anlässen dabei bist.«
    »Du hast doch gesagt, ich soll mich zurückhalten, solange ich noch lerne.«
    »Zurückhaltung ist eine Sache. Unhöflichkeit eine andere.«
    »Warum ist es unhöflich, wenn ich sie nicht einmal kenne? Und ich verstehe den Zweck einer Hochzeit immer noch nicht. Was um alles in der Welt veranlasst ein freies Wesen, sich für den Rest des Lebens einem einzigen Partner zu verpflichten?«
    Von da nahm das Gespräch einen unschönen Verlauf. Arbeely, aufgeregt und fassungslos, verteidigte die Institution Ehe und führte jedes Argument an, das ihm einfiel: Vaterschaft und legitime Kinder, den zivilisierenden Einfluss der Ehe, das Gebot, dass Frauen keusch und Männer treu sein sollten. Der Dschinn spottete über alles und bestand darauf, dass Dschinn keinerlei Sorgen dieser Art kannten und er nicht einsah, warum Menschen sich um so etwas scheren mussten. Worauf Arbeely sagte, es sei eben so, gleichgültig was der Dschinn davon halte, und dass er zur Hochzeit mitkommen und seine Ansichten für sich behalten müsse. Und der Dschinn entgegnete, von allen Wesen, die er kennengelernt habe, seien sie aus Fleisch oder Feuer, habe ihn keins so zur Verzweiflung getrieben wie der Mensch.
    Vorn im Saal knieten Braut und Bräutigam, während der Priester ein Weihrauchfass über ihren Köpfen schwang. Der duftende Rauch hing schwer in der Luft. Die Braut, achtzehn Jahre alt, hieß Leila, wurde jedoch Lulu genannt, was auf eine Keckheit schließen ließ, die dem zierlichen, schüchtern lächelnden Mädchen nicht einmal ansatzweise anzusehen war. Ihr Bräutigam, Sam Hosseini, war ein rundlicher, in der Gemeinde wohlbekannter, freundlicher Mann. Er war einer der ersten Kaufleute gewesen, die sich in der Washington Street niedergelassen hatten, und sein Laden mit Importwaren zog Kunden aus weit entfernten Stadtteilen an. Im Lauf der Jahre war er wohlhabend geworden, unterstützte seine Landsleute jedoch großzügig, sodass nur wenige ihm den Erfolg neideten. Während der Priester predigte,

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