Golem und Dschinn: Roman (German Edition)
strahlte Sam vor Glück und blickte immer wieder verstohlen auf Lulu hinunter, als wollte er sich seines großen Glücks vergewissern.
Nach der Zeremonie begab sich die Gesellschaft in Faddouls Kaffeehaus zur Hochzeitsfeier. Auf den Tischen standen Platten mit Kebabs und Reis, Pasteten mit Spinat und Fleisch sowie mit Schleifen verschlossene Tüten mit gezuckerten Mandeln. Die Frauen drängten sich auf der einen Seite des Kaffeehauses, aßen und plauderten. Auf der anderen Seite schenkten sich die Männer Arrak ein und tauschten Neuigkeiten aus. Sam und Lulu saßen an einem kleinen Tisch in der Mitte und nahmen Glückwünsche entgegen. Sie wirkten glücklich und benommen. Auf dem Tisch für Geschenke neben der Tür häuften sich Schachteln und Umschläge.
Der Dschinn jedoch befand sich nicht unter den Feiernden. Er saß im Schneidersitz auf einer leeren Holzkiste in der schmalen Straße hinter dem Kaffeehaus. Die Atmosphäre im Saal war erdrückend gewesen, die Luft stickig vor Schweiß und Rauch und Parfum, und er war noch immer verärgert über die Zeremonie, die ihm sinnlos erschien. Er wollte nicht mit lauter Fremden im Kaffeehaus eingepfercht sein. Außerdem war es ein schöner Tag; der Himmel zwischen den Gebäuden leuchtete strahlend blau, und eine leichte Brise wehte den Abfallgeruch aus der Straße.
Aus seiner Tasche zog er eine Handvoll goldener Halsketten, die er in einem schäbigen kleinen Laden in der Bowery gekauft hatte. Arbeely war mit ihm dort hingegangen, weil es der einzige ihm bekannte Ort war, wo man billig Gold kaufen konnte; doch ihm war unbehaglich zumute gewesen angesichts der niedrigen Preise, und später meinte er, dass die Sachen gestohlen sein mussten. Die Ketten waren mittelmäßig gearbeitet – die einzelnen Glieder waren nicht gleichmäßig, und die Ketten hingen irgendwie schief –, doch das Gold war von guter Qualität. Der Dschinn schloss die Hände darum, um sie zu schmelzen, und begann dann müßig, das Gold zu formen. Als seine Finger wieder still hielten, hatte er eine goldene Miniaturtaube in der Hand. Mit einem dünnen spitzen Draht fügte er ein paar Details hinzu – angedeutete Federn und Augen – und umgab den Vogel dann mit einem filigranen Käfig. Es tat gut, mit den Händen zu arbeiten statt mit den klobigen Werkzeugen, von denen Arbeely verlangte, dass er sie benutzte.
Die Küchentür des Kaffeehauses wurde geöffnet. Es war Arbeely. »Da bist du ja«, sagte er. In der Hand hielt er einen kleinen Teller und eine Gabel.
Gereizt antwortete der Dschinn: »Ja, hier bin ich und genieße einen Augenblick der Ruhe.«
Arbeely blickte gekränkt drein. »Ich habe dir ein Stück Knafeh gebracht«, sagte er. »Es gibt gleich keins mehr. Ich habe befürchtet, dass du nichts davon abkriegst.«
Der Dschinn bekam ein schlechtes Gewissen. Er wusste, dass Arbeely viel tat, um ihm zu helfen, doch er fühlte sich unterdrückt und beobachtet, und es fiel ihm schwer, nicht die Nerven zu verlieren. Er steckte den Vogel im Käfig in die Tasche und nahm den Teller, auf dem ein Viereck lag, das schwer aussah und aus braunen und cremefarbenen Schichten bestand. Er runzelte die Stirn. »Was genau ist das?«
Arbeely grinste. »Das Himmlischste, was es auf Erden gibt.«
Der Dschinn aß vorsichtig einen Bissen. Das Essen war noch immer schwierig für ihn. Nicht der Vorgang als solcher – Kauen und Schlucken waren einfach genug, und das Essen in seinem Bauch verbrannte zu nichts. Aber nie zuvor hatte er etwas geschmeckt, und die ersten Geschmackserfahrungen hatten ihn vollkommen überrascht. Die Empfindungen von süß und herzhaft, salzig und würzig waren faszinierend, ja überwältigend. Er hatte gelernt, nur kleine Bissen zu essen und bedächtig zu kauen. Dennoch war das Knafeh ein Schock. Süße explodierte auf seiner Zunge, und dünne Teigfasern zersplitterten zwischen seinen Zähnen, das Geräusch löste ein lautes Echo tief in seinen Ohren aus. Eine cremige Säure ließ ihn die Zähne zusammenbeißen.
»Schmeckt es dir?«, fragte Arbeely.
»Ich weiß nicht. Es ist … erstaunlich.« Er aß vorsichtig einen zweiten Bissen. »Ich glaube, es schmeckt mir.«
Arbeely lächelte und sah sich dann in der Gasse um. »Was machst du hier?«
»Ich habe einen Augenblick Ruhe gebraucht.«
»Ahmad«, sagte Arbeely – und der Dschinn zuckte zusammen, es war sein Name und doch nicht sein Name –, »das verstehe ich, wirklich. Gott weiß, bei diesen Dingen bin ich genau wie du. Aber
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