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Gondeln aus Glas

Gondeln aus Glas

Titel: Gondeln aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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Eindruck, als hätte Altieri ihm gerade etwas mitgeteilt, was er eigentlich lieber verschwiegen hätte.
    «Aber er ist der Einzige meiner Gäste», fuhr Altieri hastig fort, «der im Molino Rosso verkehrt.»
    Der Name Molino Rosso löste eine blasse Erinnerungsspur in Bossis Gedächtnis aus, aber da er Cannaregio kaum kannte, blieb es dabei. «Dieser Mann, mit dem sich Signor Farnese getroffen hatte – was wissen Sie über ihn?»
    Altieri machte ein irritiertes Gesicht. «Ich würde sagen, Mann ist nicht ganz das richtige Wort.»
    «Und was ist das richtige Wort?»
    Der Blick, mit dem Signor Altieri Bossi musterte, verriet nicht, was er dachte, er war wie an eine leere Wand gerichtet. Schließlich sagte er etwas, das Bossi nicht sofort begriff. Aber als ein paar Sekunden später bei Bossi der Groschen fiel – nachdem sich die kurze Gewissheit, er litte unter einer Halluzination, wieder verschwunden war –, hatte sich die Situation gewissermaßen geklärt.
    Signor Altieri sagte: «Ich schätze, der Bursche ist höchstens fünfzehn.»

36
    «Das Molino Rosso », sagte Tron, nachdem Bossi seinen Bericht beendet hatte und er ihm seine Anerkennung ausgesprochen hatte, «ist ein Lokal, in dem man sich kennen lernt. Anschließend geht man in die Pensione Apollo, um dort auf den Zimmern die Bekanntschaft zu vertiefen. Dass Orlow mit diesem speziellen Alibi nicht herausrücken wollte, ist kein Wunder.»
    Merkwürdig, dachte Tron, wie wenig ihn diese  Enthüllung von Orlows Privatleben überrascht hatte.
    Irgendwie passte das zu Orlows übertriebenem militärischem Gehabe – und auch zu der Art, wie der Oberst beim Kaffeetrinken den Finger abspreizte.
    Tron sah Bossi an, der auf der anderen Seite des Schreibtisches Platz genommen hatte. «Was schließen Sie aus alledem, Bossi? Haben Sie eine Theorie?»
    Bossi antwortete mit einer Gegenfrage. «Haben Sie sich bei Oberst Orlow danach erkundigt, was er am Dienstagnachmittag letzter Woche gemacht hat?
    Hat er ein Alibi?»
    «Hat er nicht», sagte Tron. «Er war spazieren.»
    «Das habe ich erwartet», sagte Bossi.
    «Sie meinen also, Orlow hat zwar Pater Terenzio ermordet – aber Kostolany hat er nicht ermordet?
    Und wer hat Kostolany getötet?»
    Bossi überlegte einen Moment. «Pater Terenzio hat Kostolany getötet. Sie hatten Recht, Commissario. Nur dass Pater Terenzio und Orlow unter einer Decke gesteckt haben.»
    Tron lächelte. «Ich bin mir inzwischen nicht mehr sicher, ob ich Recht hatte», sagte er. Das war eine glatte Lüge. An Ort und Stelle war er sich auch nicht sicher gewesen.
    «Wenn Orlow und Pater Terenzio», fuhr Tron  fort, «Komplizen waren, hätte mir der Pater wohl kaum mitgeteilt, dass Oberst Orlow zwei Kopien bestellt hat. Aber richtig ist, dass Orlow einen Komplizen gehabt hat.»
    Jedenfalls, dachte Tron, unter der Voraussetzung, dass sich Kostolany nicht selbst stranguliert hatte.
    Aber wer, zum Teufel, war dieser Komplize von Oberst Orlow? Plötzlich fiel ihm ein, wie der Oberst erwähnt hatte, dass er mit dem Großfürsten bekannt war. Aber hatte Troubetzkoy nicht für den entsprechenden Zeitraum ein wasserdichtes Alibi? Er konnte Kostolany also gar nicht getötet haben. Es sei denn …

    Tron schloss die Augen und überlegte. Und dann tauchte etwas in dem dichten Nebel auf, der von Anfang an über diesem Fall gelegen hatte – eine Möglichkeit, die er übersehen hatte. Er musste daran denken, wie er der Contessa vorgeschlagen hatte, Leinsdorf eine falsche Königin zu präsentieren. Und ihm fielen die Schleifspuren im Palazzo da Lezze ein, auf die er hingewiesen hatte. Der Mörder hatte Kostolany in seinem Kontor erwürgt und anschlie ßend in den Flur befördert – um Orlow und die Königin zu empfangen. Tron sagte: «Was ist mit Troubetzkoy? Orlow und der Großfürst kannten sich.»
    Bossi schüttelte den Kopf. «Troubetzkoy hat ein Alibi.»
    «Nicht für den ganzen Abend», sagte Tron. «Nur für die Zeit zwischen halb elf und elf. Wo er sich vorher aufgehalten hat, wissen wir nicht.»
    «Aber Kostolany ist nach dem Besuch der Königin und vor der Ankunft Manins ermordet worden. Für diese halbe Stunde hat Troubetzkoy ein Alibi.»
    Ja, dachte Tron, so könnte es gewesen sein. Die Lösung war gewagt, aber ausgesprochen elegant.
    Und sie hatte den Nebeneffekt, dass Bossi seine kriminalistischen Erfolge in Canareggio in den richtigen Proportionen sah.
    Tron lehnte sich zurück. «Die Frage ist, ob sich der Mord überhaupt in dem Zeitraum

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