Gone 5: Angst (German Edition)
lächeln. Und doch wusste sie genau, wo sie hinging.
Der Schnitt in ihrer Ferse spielte überhaupt keine Rolle mehr. Wenn sie sich die Zehen anstieß, merkte sie es kaum. Dass sie den schmalen Pfad wie eine Blinde mit ausgestreckten Händen hinauftappte und immer wieder stolperte, war belanglos. Nichts hatte noch irgendeine Bedeutung, denn das, was sie jetzt spürte, war so großartig, so grandios. Sie lachte vor Glück.
»Du spürst ihn, nicht wahr?«
Penny erschrak beim Klang der Stimme. Sie kam von der Stelle, wo Drake sein sollte, gehörte aber einem Mädchen. Na klar, Brittney.
»Ja, ich spüre ihn«, bestätigte Penny.
»Wenn wir näher kommen, hörst du ihn. In deinem Kopf. Das ist dann kein Traum, sondern echt. Und wenn wir erst ganz unten sind, kannst du ihn sogar berühren.«
Penny fand, das klang gestört. Nicht, dass sie ein Problem damit hatte. Aber Brittney war nicht Drake. Ihn konnte sie respektieren. Die Peitschenhand und vor allem der Wille, sie einzusetzen, machten Drake mächtig.
Und richtig attraktiv. Früher hatte sie ihn kaum beachtet. Nur Augen für Caine gehabt. Den finsteren, gut aussehenden Jungen, der auf alle anderen herabschaute. Drake war anders, mehr wie ein gieriger Hai.
Was Caine betraf, hatte sie sich getäuscht. Caine stand unter Dianas Pantoffel. Drake dagegen liebte Diana ganz sicher nicht. Im Gegenteil: Er hasste sie. Hasste sie mindestens so sehr wie Penny es tat.
Brittney ging am Schluss. Penny in der Mitte. Sie trieben Diana und Justin vor sich her, die laufend hinfielen und dabei wimmerten.
Die Illusion, mit der sie Brianna bezwungen hatte, konnte sie aus dieser Entfernung nicht mehr aufrechterhalten. Sie musste inzwischen verklungen sein. Und das bedeutete, dass Brianna ihnen folgen konnte.
Penny grinste. Viel Glück, wenn sie sie jetzt noch einholen wollte. Ihre Schnelligkeit nutzte ihr hier gar nichts. Sie war ein Nichts. Der Wirbelwind? Pah! Penny würde sie so schnell und so lange rennen lassen, bis sie sich die Beine brach.
»Er wird mit uns sprechen«, sagte Brittney in salbungsvollem Ton. »Er wird uns sagen, was wir tun müssen.«
»Halt die Klappe!«, schnappte Penny.
»Wir dürfen uns nicht streiten«, sagte Brittney belehrend.
»Ach, dürfen wir das nicht?«, fragte Penny spöttisch. »Du hältst trotzdem die Klappe, bis Drake wieder da ist.«
Und dann, auch mit Brittneys Schweigen nicht zufrieden, fügte sie hinzu: »Ich lasse mir nichts vorschreiben. Von dir nicht, von Drake nicht und auch nicht von dem … was weiß ich, wie er heißt.« Bei den letzten Worten leckte sie sich nervös über die Lippen.
»Der Gaiaphage«, sagte Brittney. Sie lachte. Nicht böse, aber herablassend. »Du wirst ja sehen.«
Penny »sah« auch so schon. Nichts Konkretes, aber sie spürte ihn, spürte seine Macht. Sie hatten den Eingang zur Mine erreicht. Die Dunkelheit hüllte sie ein wie eine zähflüssige Masse.
Jetzt wurde es aber auch leichter, sich zurechtzufinden. Sie konnten sich an den Wänden entlangtasten. Dafür fiel ihr das Atmen schwerer.
Diana stieß ein leises Stöhnen aus.
Kurz verspürte Penny die Lust, sie noch mehr leiden zu lassen.
»Es gibt ein paar schwierige Stellen«, warnte Brittney sie. »Und einen sehr tiefen Abgrund. Wenn ihr da runterfallt, brecht ihr euch alle Knochen.«
Penny schüttelte den Kopf, auch wenn das niemand sehen konnte. »Vergiss es. Das hab ich hinter mir. So was mach ich nicht noch einmal mit.«
Brittneys Stimme wurde weich wie Seide. »Du kannst nicht mehr umkehren.«
»Wieso?«, fragte Penny empört. Sie bekam kaum noch Luft.
»Weil du dahin gehst, wo du immer schon hinwolltest.«
»Niemand sagt mir …«, knurrte Penny, aber ihr Ungehorsam erstarb mitten im Satz. Sie versuchte es noch einmal. »Niemand …«
»Vorsicht!«, erklang jetzt wieder Brittneys affige Stimme. »Nun kommen lauter herabgestürzte Felsen. Ihr müsst über sie drüberklettern.« Dann verfiel sie in einen Singsang. »Kriecht auf den Knien. Auf unseren Knien kriechen wir zu unserem Herrn.«
Brianna keuchte. Sie rührte sich nicht von der Stelle.
Es war stockfinster. Die Dunkelheit war schlimmer als die Bilder, die ihr Penny in den Kopf gesetzt hatte. Die waren verdammt krass gewesen. Aber das hier, das war einfach nur ein großes Nichts.
Obwohl, wenn sie es recht bedachte, stimmte das gar nicht. Sie hielt sich die Machete vors Gesicht und konnte ihren herben Stahlgeruch riechen. Und als sie ihre Schrotflinte zog, spürte sie den
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