Gone 5: Angst (German Edition)
können die Wellen nachweisen, auch wenn sie sonst nirgends in der Natur vorkommen.«
»Wofür steht das Wort J-Welle?«, fragte die Ärztin.
Major Onyx lachte zynisch. »Ein obergescheiter CERN -Physiker nannte sie ›Jehovawellen‹. Er meinte, vielleicht kämen sie ja von Gott höchstpersönlich. Dieser Name blieb haften.«
»Und eben haben Sie eine Nachricht bekommen, dass sich diese J-Wellen verändert haben?«
Der Major wollte schon antworten, riss sich dann aber mit einem letzten düsteren Blick auf Mary zusammen. »Diese Unterhaltung hat nie stattgefunden. Verstanden?«
Dann ließ er Dr. Chandiramani mit ihrer toten Patientin allein.
Elf
26 Stunden, 45 Minuten
Als Sam die Augen aufschlug, war ihm unbeschreiblich leicht ums Herz.
Astrid war zurück. Sie lag in seinem Arm und schlief. Sein Arm war taub, aber solange ihr blonder Kopf darauf lag, würde er sich nicht rühren. Sie roch nach Fichtennadeln und Lagerfeuer.
Er kannte die FAYZ , sie gönnte einem kein Glück. Bisher hatte sie alles, was auch nur im Ansatz nach Glück aussah, erbarmungslos zermalmt. Und das, was er in diesem Moment empfand, musste ihre Vergeltungssucht regelrecht herausfordern. Von so hoch abzustürzen, mochte er sich nicht einmal vorstellen.
Als ihm einfiel, dass er sich erst gestern einen Kampf herbeigesehnt hatte, noch dazu aus lauter Langeweile, erschrak er. War das wirklich er gewesen, der bei der Aussicht auf einen Krieg mit Caine insgeheim gegrinst hatte?
So jemand war er doch nicht.
Und wenn doch, wie konnte er dann diese Hundertachtzig-Grad-Wendung vollziehen und sich plötzlich so vollkommen anders fühlen? Wegen Astrid? Weil sie neben ihm lag?
Er betrachtete ihren Kopf, die kurzen Haare, die aussahen, als wären sie mit der Heckenschere geschnitten worden, ihr friedlich schlafendes Gesicht, die schmalen Schultern und das unbedeckte, von Narben und blauen Flecken übersäte Bein, das um sein eigenes geschlungen war.
Ihre Hand lag auf seiner Brust, nur ein paar Zentimeter über seinem Herzen, das nun anfing schneller zu schlagen. Immer heftiger pochte, dass er schon befürchtete, es könnte sie wecken.
Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte dieser Moment ewig dauern können, aber sein Körper verlangte etwas anderes. Er schluckte.
Ihre Wimpern flatterten. Ihre Atmung veränderte sich. »Wie lange noch, bis wir reden müssen?«, fragte sie schläfrig.
»Das eilt nicht.«
Nach einer Weile löste sich Astrid von seinem Arm und setzte sich auf. Sie sahen einander an.
Sam wusste nicht, was er in ihrem Blick erwartet hatte. Vielleicht Schuldgefühle. Gewissensbisse. Abscheu. Er sah nichts davon.
»Weißt du noch, warum ich mich so lange dagegen gewehrt habe?«, fragte sie.
»Und selbst wenn, ich werde dich sicher nicht daran erinnern.«
Sie blickte ihn mit einer Offenheit an, die ihm fast schon unangenehm war.
»Bist du zurück?«, fragte er sie.
Astrid wandte den Kopf ab. Doch dann schien sie es sich anders zu überlegen und schaute ihn wieder an. »Ich hab eine Idee: Wie wär’s, wenn ich dir einfach die Wahrheit erzähle?«
»Klingt gut.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher«, warnte sie ihn. »Aber lügen kann ich eh nicht mehr. Das Alleinsein hat mich gegen jede Art von Bullshit allergisch gemacht. Vor allem gegen meinen eigenen.«
Sam setzte sich auf. »Okay. Reden wir. Aber vorher schwimmen wir eine Runde im See.«
Sie betraten den Steg und sprangen kopfüber ins kalte Wasser.
»Die Leute werden uns sehen.« Astrid strich sich die nassen Fransen aus dem Gesicht. »Macht dir das nichts aus?«
»Astrid, inzwischen weiß nicht nur jeder am See Bescheid, sondern auch ganz Perdido Beach – und wer immer gerade auf der Insel ist. Taylor war wahrscheinlich längst hier und die Wanze mit Sicherheit auch.«
Sie lachte. »So schnell macht der Klatsch die Runde?«
»Wenn er so heiß ist, schon. Lichtgeschwindigkeit ist nichts dagegen.«
Sie kehrten zurück an Bord und trockneten sich ab. Dann zogen sie sich an und brachten ihr Frühstück aufs Oberdeck: Karotten, gegrillten Fisch vom Vortag und Wasser.
Astrid kam sofort zur Sache. »Ich bin zurückgekommen, weil sich die Kuppel verändert.«
»Der Fleck?«
»Hast du ihn gesehen?«
»Ja, aber wir dachten, das hat vielleicht was mit Sinder zu tun.«
Astrids linke Augenbraue wanderte nach oben. »Wieso? Was ist mit Sinder?«
»Sie kann Dinge schneller wachsen lassen und hat jetzt einen kleinen Gemüsegarten, der direkt an der Barriere liegt.
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