Gone 5: Angst (German Edition)
Wir experimentieren noch, essen nur wenig davon, weil wir nicht wissen, ob es … du weißt schon … eine Reaktion auslöst.«
»Sam, der Fleck ist überall. Ich bin den ganzen Weg hierher an der Barriere langgelaufen. Er ist überall, an manchen Stellen kaum sichtbar, an anderen bereits sechs Meter hoch.«
»Denkst du, er wird größer?«
Sie nickte. »Ja, auf jeden Fall. Ich weiß bloß nicht, wie schnell. Ich möchte versuchen, das zu messen.«
»Was passiert da deiner Meinung nach?«
Sie zuckte die Achseln. »Keine Ahnung.«
Ihm war auf einmal, als drückte ihm etwas das Herz ab. Die FAYZ bestrafte die Glücklichen. Er hatte sich erlaubt, glücklich zu sein. Schwerer Fehler.
»Denkst du …?«, begann er, aber irgendwie kamen ihm die Worte nicht über die Lippen. Also setzte er noch einmal neu an. »Was, wenn er immer weiter wächst?«
»Die Barriere war von Anfang an eine Art optische Täuschung. Wenn du direkt davorstehst, siehst du eine blasse, nicht spiegelnde graue Fläche. Eine Nullität. Und weiter oben siehst du die Illusion von einem Himmel. Taghimmel oder Nachthimmel – aber nie eine ebene Fläche. Der Mond nimmt zu und ab, wie er soll. Es ist eine Täuschung, zugleich aber auch unsere einzige Lichtquelle.« Sie dachte jetzt laut nach, wie sie es manchmal tat. Und wie er es vermisst hatte.
»Mir kommt es vor wie eine Panne. So wie in der Schule, wenn der Filmprojektor nicht richtig funktioniert hat und die Bilder immer trüber wurden, bis man die Augen zusammenkneifen musste, um noch etwas zu erkennen.«
»Soll das heißen, es wird finster?« Er war froh, dass ihn seine Stimme nicht verriet.
Astrid verschränkte die Hände ineinander und vermied es, ihm in die Augen zu schauen. Stattdessen sah sie an ihm vorbei. »Möglich wäre es. Ja, ich denke schon. Ich meine, das war mein erster Gedanke. Dass es finster wird.«
Sam sog scharf die Luft ein. Er würde nicht ausrasten, das nicht. Aber nur deshalb nicht, weil er die Kraft hatte, Licht zu erzeugen. Mickrige Leuchtkugeln und blendendes Laserlicht, keine warmen Sonnenstrahlen und kein Mondlicht, aber immerhin. Er wäre der Finsternis nicht vollkommen ausgeliefert.
Er ertrug es nicht, im Dunkeln zu sein. Nicht in völliger Dunkelheit.
Als er merkte, dass seine Hände nass geschwitzt waren, wischte er sie heimlich an seinen Shorts ab. An Astrids Blick erkannte er jedoch, dass sie ihn beobachtet hatte und genau wusste, was in ihm vorging.
Er lächelte gequält. »Blöd, nicht wahr? Nach allem, was wir durchgemacht haben, fürchte ich mich immer noch vor der Dunkelheit.«
»Alle fürchten sich vor irgendwas.«
»Wie ein kleines Kind.«
»Wie ein normaler Mensch.«
Sams Blick wanderte zum See. Er lag friedlich da und glitzerte in der Sonne. Am Ufer waren ein paar ältere Kids zu sehen, die sich einen ablachten, ein Stück weiter spielten kleine Kinder im Sand.
»Vollkommene Dunkelheit«, sagte er, nur um es zu hören und zu sehen, ob er es akzeptieren konnte. »Es wird nichts mehr wachsen. Wir werden nicht mehr fischen können. Wir werden in der Finsternis herumirren, bis wir verhungert sind. Darauf werden die anderen auch kommen. Sie werden in Panik geraten.«
»Vielleicht verschwindet die Verfärbung ja wieder«, meinte Astrid.
Sam hörte nicht zu. »Das ist das Endspiel.«
Sanjit und Virtue entdeckten Taylor, als sie am nächsten Morgen ihre Runden auf dem Parkplatz drehten, um sich fit zu halten. Sanjit rannte voraus, kehrte zurück und lief um seinen schnaufenden Bruder herum, der alles, nur keine Sportkanone war.
»Komm schon, Choo, das tut dir gut.«
»Ich weiß«, presste Virtue hervor. »Aber deshalb muss ich es noch lange nicht toll finden.«
»Hey, die Aussicht auf den Strand ist großartig und …« Sanjit unterbrach sich, weil Virtue hinter einem Wagen verschwunden war. Er lief zu ihm.
Sein Bruder war in die Hocke gegangen und beugte sich über etwas … und dann sah er, was es war.
»Was …? Mann, ist das krass!«
Sanjit kniete sich neben Virtue auf den Asphalt. Sie rührten sie nicht an – das Mädchen mit der goldenen Hautfarbe, dem eine Hand und beide Beine fehlten.
Virtue hielt die Luft an und legte sein Ohr an Taylors Mund. »Ich glaube, sie lebt noch.«
»Ich hol Lana.« Sanjit rannte zurück ins Gebäude, die Treppe hinauf und durch den Flur zu ihrem Zimmer. Er stieß die Tür auf, rief: »Lana! Lana!«, und starrte in den Lauf ihrer Pistole.
»Sanjit, wie oft soll ich dir das noch sagen? Du
Weitere Kostenlose Bücher