Gone 5: Angst (German Edition)
wollte. Selbst als sie – nur vorübergehend, wie sich herausstellte – zum See zog, war das Clifftop für alle anderen tabu geblieben.
»Niemand legt sich mit Lana an«, hatte Caine angeordnet.
Lana, Lana. Immer nur Lana. Die von allen ach so geliebte und verehrte Lana.
Als Lana ihre zerschmetterten Beine heilte, hatte Penny sie ein wenig kennengelernt. Penny fand Lana total eingebildet. Klar war sie froh, dass ihre Beine wieder gesund waren und sie nicht mehr unter diesen Wahnsinnsschmerzen leiden musste, aber das gab Lana noch lange kein Recht, so herablassend zu sein.
Und schon gar nicht, ein Riesenhotel für sich allein zu beanspruchen und zu bestimmen, wer kommen durfte und wer nicht.
Penny gönnte Lana diese Art von Macht nicht. Wenn Penny es wollte, würde Lana genauso auf allen vieren kriechen und heulen und sich die Augen auskratzen wie Cigar.
Oh ja. Fünf Minuten mit der Heilerin würden ihr reichen. Mal sehen, wie überheblich sie dann noch wäre.
Nur dass Caine sie dafür umbringen würde. Caine empfand nichts für Penny. Als Diana verschwand, hatte sie gehofft, dass er … Nein, sie brauchte sich nichts vorzumachen. Caines Abscheu für sie war nicht zu übersehen.
Es hatte sich nichts geändert. Caine war immer noch der große Macker, der beliebte, gut aussehende Typ, der auf jemanden wie Penny mit ihren Zottelhaaren und ihrem dürren, flachbrüstigen Körper spuckte. Es drehte sich immer noch alles darum, wer scharf war und wer nicht.
Es gab aber noch andere Jungs.
Wie aufs Stichwort, klopfte jemand leise an ihre Hintertür. Penny öffnete sie und ließ Turk herein.
»Hast du aufgepasst?«, fragte sie.
»Ich hab einen Riesenumweg gemacht und bin das letzte Stück durch die Gärten gekommen.« Sein Atem ging stockend und er schwitzte. Sie glaubte ihm.
»So viel Aufwand, nur um mich zu sehen?«
Darauf sagte er nichts. Als er sich in einen der Polstersessel plumpsen ließ, wirbelte eine Staubwolke auf. Das Gewehr stellte er neben sich. Dann zog er die Schuhe aus und machte es sich bequem.
Plötzlich krabbelte ein Skorpion seinen Arm hinauf. Schreiend sprang er vom Sessel auf und versuchte, das Tier mit der Hand wegzuschlagen. Bis er das Lächeln in Pennys Gesicht sah.
»Hör auf damit!«
»Dann ignorier mich nicht.« Sie hasste sich für den flehenden Ton in ihrer Stimme.
»Ich ignorier dich doch gar nicht!« Er setzte sich erst wieder hin, als er sich vergewissert hatte, dass kein weiterer Skorpion über das Polster krabbelte – als wäre der eine echt gewesen.
Turk ist ein Armleuchter, dachte Penny und seufzte innerlich. Kein Caine. Und auch kein Sam. Nicht einmal ein Quinn. Sie konnten Penny ignorieren, wie ein geschlechtsloses Wesen behandeln und bei ihrem Anblick angewidert den Mund verziehen, aber nicht Turk.
Brennende Wut stieg in ihr auf und sie musste sich abwenden, um sich nicht zu verraten. Ihr ganzes Leben lang war sie übersehen, vergessen und ignoriert worden.
Sie war die mittlere von drei Schwestern. Ihre ältere Schwester hieß Dahlia. Die jüngere Rose. Beide nach hübschen Blumen benannt. Und dazwischen ein gewöhnliches, nichtssagendes Mauerblümchen namens Penny.
Dahlia war eine Schönheit. Und schon immer Vaters Liebling gewesen. Er hatte sie vergöttert und ihr lauter hübsche Sachen angezogen – Seidenunterwäsche und Federboas – und unzählige Fotos von ihr gemacht. Bis Dahlia in die Pubertät kam.
Als ihr Vater das Interesse an Dahlia verlor, hatte Penny wie selbstverständlich angenommen, dass nun sie die Auserwählte sein würde. Die Geliebte und Bewunderte, die für ihn posieren, sich hierhin und dahin bücken, ihre verborgenen Stellen zeigen und dazu ein neckisches oder ängstliches Gesicht machen würde, je nachdem, was ihr Vater gerade haben wollte.
Aber ihr Vater hatte sie nicht einmal angesehen. Er hatte sie einfach übergangen und sich der kleinen Rose zugewandt.
Und bald war es Rose, die von den Bildern gaffte, die ihr Vater ins Internet stellte. Es dauerte ein paar Jahre, bis Penny begriff, dass ihr Vater etwas Verbotenes tat.
Eines Tages wartete sie, bis er zur Arbeit fuhr. Dann nahm sie seinen Laptop mit zur Schule. Eine Lehrerin erwischte sie dabei, wie sie die Bilder anderen Kindern zeigte, und rief die Polizei.
Ihr Vater wurde verhaftet. Pennys Mutter trank daraufhin noch mehr als sonst, und die drei Mädchen kamen zu Onkel Steve und Tante Connie.
Und welche Überraschung: Wieder waren es Dahlia und Rose, die ach so armen
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