Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
Waschbeckenrand und rannte davon, als wäre es eine Bombe. Drei Minuten warten. Ich stellte das Radio an, und natürlich kam ein Song von Tom Petty – kann man irgendwann das Radio anmachen, ohne Tom Petty zu hören? –, also sang ich jedes Wort von »American Girl« mit und ging danach auf Zehenspitzen ins Badezimmer zurück, als wäre der Test etwas, an das ich mich vorsichtig anschleichen musste, und mein Herz klopfte wie verrückt, und siehe da, ich war schwanger.
Ehe ich richtig wusste, was ich tat, rannte ich auch schon über den Sommerrasen, die Straße hinunter, und hämmerte an Noelles Tür. Als sie aufmachte, brach ich in Tränen aus, hielt ihr den Stab unter die Nase und brüllte: »Ich bin schwanger!«
Jetzt wusste es außer mir noch jemand, und plötzlich hatte ich Angst.
Als ich wieder nach Hause kam, hatte ich zwei Gedanken im Kopf.
Erstens: Nächste Woche ist unser Hochzeitstag. Ich werde die Hinweise als Liebesbriefe nutzen, und am Ende wartet eine wunderschöne antike Wiege aus Holz. Ich werde Nick überzeugen, dass wir zusammengehören. Als Familie.
Zweitens: Ich wünschte, ich hätte mir einen Revolver besorgen können.
Inzwischen kriege ich manchmal Angst, wenn mein Mann nach Hause kommt. Vor ein paar Wochen hat Nick mir vorgeschlagen, mit ihm aufs Floß zu kommen, eine kleine Flussfahrt, einfach ein Stück mit der Strömung treiben. Das Wetter war wunderbar, strahlend blauer Himmel. Als er das sagte, habe ich mich tatsächlich erst mal am Geländer festgeklammert, denn auf einmal hatte ich ein Bild vor mir, wie er das Floß zum Schaukeln bringt – erst zum Spaß, und er lacht mich aus, weil ich solche Panik habe, aber dann spannt sich sein Gesicht an, wird entschlossen, und ich falle ins Wasser, ins schlammige braune Wasser, überall kratzige Holzstücke und Sand, und sofort ist er über mir und drückt meinen Kopf mit einer Hand unters Wasser, bis ich mich irgendwann nicht mehr wehre.
Ich kann nichts dagegen machen. Nick hat mich geheiratet, als ich eine junge, reiche, schöne Frau war, und jetzt bin ich arm, arbeitslos, gehe auf die vierzig zu, ich bin nicht mehr hübsch, sondern nur noch hübsch für mein Alter . Es ist die Wahrheit: Mein Wert ist gesunken, das kann ich daran sehen, wie Nick mich anschaut. Aber es ist nicht der Blick eines Mannes, der bei einer ehrlichen Wette verloren hat. Nein, es ist der Blick eines Mannes, der sich betrogen fühlt. Bald könnte es der Blick eines Mannes sein, der in der Falle sitzt. Vor der Schwangerschaft hätte er sich vielleicht von mir scheiden lassen können. Aber jetzt würde er das nicht mehr fertigbringen, Nick, der gute Junge. Er könnte es nicht ertragen, dass alle in dieser Stadt, wo Familienwerte so großgeschrieben werden, ihn für die Art Mann halten, der Frau und Kind sitzenlässt. Dann bleibt er lieber bei mir und leidet. Leidet, hasst und wütet.
Ich will keine Abtreibung. Heute ist das Baby sechs Wochen in meinem Bauch, so groß wie eine Linse, und es bekommt schon Augen und Lungen und Ohren. Vor ein paar Stunden bin ich in die Küche gegangen und habe einen Behälter mit getrockneten Linsen gefunden, die Maureen mir mal für Nicks Lieblingssuppe gegeben hat, und ich habe eine rausgenommen und auf die Theke gelegt. Sie war kleiner als der Nagel an meinem kleinen Finger. Ich konnte sie nicht auf der kalten Küchentheke liegenlassen, also hab ich sie genommen, sie auf meine Handfläche gelegt und mit der Fingerspitze ganz vorsichtig gestreichelt. Jetzt ist sie in der Tasche meines T-Shirts, denn ich möchte sie bei mir haben.
Ich will keine Abtreibung und ich will mich nicht von Nick scheiden lassen, noch nicht, denn ich kann mich erinnern, wie er an einem Sommertag ins Meer gesprungen ist und einen Handstand gemacht hat, mit den Beinen wild in der Luft herumwedelnd, und dann kam er wieder hoch, mit der tollsten Muschel in der Hand, nur für mich, und ich ließ mir die Sonne ins Gesicht scheinen, bis ich die Augen schließen musste und auf der Innenseite meiner Lider die Farben blitzen sah wie Regentropfen, während Nick mich mit salzigen Lippen küsste, und ich dachte Was hab ich nur für ein Glück – das ist mein Mann, und ich werde Kinder mit ihm haben. Wir werden alle sehr glücklich sein.
Aber vielleicht irre ich mich ja auch. Vielleicht irre ich mich total. Denn wie er mich manchmal anschaut … Dieser süße Typ vom Strand, Mann meiner Träume, Vater meines Kindes … Ich ertappe ihn dabei, wie er mich mit
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