Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
habe ihn beobachtet, wie er sich im Spiegel begafft, sich wie ein geiler Pavian für ihre Verabredungen zurechtgemacht hat. Ich habe mir seine Lügen angehört, Lügen über Lügen, von kindischen Flunkereien bis zu ausgeklügelten, hochkomplizierten Gespinsten. Ich habe Karamell auf seinen Lippen geschmeckt, ein durchdringender Geschmack, der vorher nie da war. Ich habe die Bartstoppeln auf seinen Wangen gespürt, von denen er weiß, dass ich sie nicht mag, aber anscheinend mag sie sie. Ich habe den Betrug mit allen fünf Sinnen erlitten. Über ein Jahr lang.
Vielleicht bin ich deshalb ein bisschen verrückt geworden. Ich weiß, normale Frauen kommen nicht auf die Idee, ihrem untreuen Mann in die Schuhe zu schieben, dass er sie ermordet hat.
Aber es ist so notwendig . Nick braucht eine Lektion. Er hat noch nie eine Lektion gelernt! Er schwebt durchs Leben mit seinem charmanten Nick-Grinsen, seinem Gefühl, dass ihm alles zusteht, seinen Flunkereien und Drückebergereien, seinen Defiziten und seinem Egoismus, und niemand zieht ihn je für irgendetwas zur Rechenschaft. Ich glaube, diese Erfahrung wird ihn zu einem besseren Menschen machen. Oder zumindest zu einem, dem gelegentlich etwas leidtut. Diesem Arschloch.
Ich habe schon immer gedacht, dass ich den perfekten Mord begehen könnte. Leute, die sich erwischen lassen, werden erwischt, weil sie keine Geduld haben, weil sie sich weigern, ordentlich zu planen. Ich lächle schon wieder, während ich meinen schäbigen Fluchtwagen in den fünften Gang schalte (inzwischen ist Carthage achtundsiebzig Meilen hinter mir im Staub verschwunden) und mich auf einen schnell fahrenden Truck gefasst mache – jedes Mal, wenn ein Sattelschlepper vorbeikommt, habe ich das Gefühl, mein Vehikel macht sich zum Abheben bereit. Aber ich lächle trotzdem, denn dieses Auto zeigt, wie klug ich bin: Ich habe es für zwölfhundert Dollar in bar von einer Craigslist-Anzeige gekauft. Vor fünf Monaten, so dass es niemand frisch in Erinnerung hat. Ein 1992er Ford Festiva, das winzigste, unauffälligste Auto der ganzen Welt. Ich habe mich mit den Verkäufern nachts auf einem Parkplatz eines Wal-Mart in Jonesboro, Arkansas, getroffen. Mit einem Bündel Geldscheine in der Tasche bin ich im Zug runtergefahren – acht Stunden hin, acht Stunden zurück, während Nick einen Ausflug mit den Jungs gemacht hat. (Und damit meine ich, er hat die Schlampe gefickt.) Ich hab im Speisewagen gegessen, einen Klumpen grüner Blätter und zwei Kirschtomaten – das war auf der Speisekarte als Salat beschrieben. Ich saß neben einem melancholischen Farmer, der nach dem ersten Besuch bei seiner kleinen Enkelin auf dem Heimweg war.
Das Paar, das den Ford verkaufte, schien ebenso an Diskretion interessiert zu sein wie ich. Die Frau blieb die ganze Zeit im Auto sitzen, ein Kleinkind mit Schnuller auf dem Schoß, und beobachtete aufmerksam, wie ihr Mann und ich Geld gegen Schlüssel tauschten. Dann stieg sie aus, und ich stieg ein. Ruckzuck. Im Rückspiegel sah ich das Paar mit dem Geld in den Wal-Mart schlendern. Seither steht der Wagen auf einem Langzeitparkplatz in St. Louis. Zweimal im Monat fahre ich runter und stelle ihn an einen anderen Platz. Zahle in bar. Trage eine Baseball-Kappe. Ganz einfach.
Das nur als Beispiel für Geduld, Planung und Scharfsinn. Ich bin zufrieden mit mir; noch drei Stunden, dann bin ich in den Missouri Ozarks und damit am Ziel – ein kleiner Archipel von Waldhütten, wo ich die Wochenmiete bar entrichten kann, und es gibt Kabelfernsehen, ein absolutes Muss. Hier will ich mich die ersten ein bis zwei Wochen einigeln, denn ich möchte nicht auf der Straße unterwegs sein, wenn die Nachricht publik wird, und es ist so ziemlich der letzte Ort, an dem Nick mich vermuten würde, wenn er erst mal rausgefunden hat, dass ich mich verstecke.
Dieses Stück Highway ist besonders hässlich. Ein Schandfleck im mittleren Westen der USA. Nach weiteren zwanzig Meilen sehe ich an der Ausfahrt die Überreste einer einsamen Familien-Tankstelle, leer, aber nicht verrammelt, und als ich rechts ranfahre, sehe ich, dass die Tür zur Frauentoilette weit offensteht. Ich gehe hinein – kein Strom, aber ein verzogener Metallspiegel, und Wasser gibt es auch noch. In der Nachmittagssonne und Saunahitze hole ich eine Schere und eine Packung kaninchenbraune Haarfarbe aus meiner Handtasche. Ich schneide mir die Haare ein ganzes Stück kürzer, und das Blond verschwindet in einer Plastiktüte. Luft kommt an
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