Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
meinen Nacken, mein Kopf fühlt sich so leicht an wie ein Ballon – ich lasse ihn ein paarmal kreisen, um das Gefühl zu genießen. Dann trage ich die Farbe auf, schaue auf die Uhr und stelle mich an die Tür, blicke über die endlose Ebene, pockennarbig übersät mit Fast-Food-Restaurants und Motel-Ketten. Ich kann fühlen, wie ein Indianer weint. (Nick würde diesen Scherz hassen. Unoriginell! Und dann würde er hinzufügen: »Obwohl das Wort unoriginell als Kritik selbst unoriginell ist.« Ich muss ihn aus dem Kopf kriegen – sogar aus hundert Meilen Entfernung geht er mir noch auf die Nerven.) Schließlich wasche ich meine Haare im Waschbecken aus. Unter dem warmen Wasser fange ich an zu schwitzen. Mit der Tüte voller Haare und Müll gehe ich zurück zum Auto, setze eine altmodische Nickelbrille auf und lächle wieder. Wenn ich so ausgesehen hätte, als wir uns kennenlernten, hätten Nick und ich niemals geheiratet. Alles hätte vermieden werden können, wenn ich weniger hübsch gewesen wäre.
Punkt 34: Aussehen verändern. Erledigt.
Ich bin noch nicht ganz sicher, wie es geht, die tote Amy zu sein, ich versuche noch herauszufinden, was das für mich bedeutet, was ich die nächsten paar Monate sein werde. Vermutlich irgendetwas, nur nicht die, die ich schon war: Amazing Amy, popperhaftes Achtzigerjahre-Girl, Ultimate-Frisbee-Granola, Errötende Naive, Hepburn-Geistreich-Komplex, Klug-Ironisch, Boho-Babe (die jüngste Version von Frisbee-Granola), Cool Girl, Geliebte Frau, Ungeliebte Frau, Rachsüchtige Frau, Tagebuch-Amy.
Ich hoffe, ihr mochtet Tagebuch-Amy. Sie sollte liebenswert erscheinen, so, dass Leute wie ihr sie mögen würdet. Es ist leicht , sie zu mögen. Ich habe nie verstanden, warum das ein Kompliment sein soll – dass jeder einen mag. Aber egal. Ich glaube, die Tagebucheinträge sind ganz gut geworden, und das war gar nicht so einfach. Ich musste eine umgängliche, wenn auch etwas naive Person erfinden, eine Frau, die ihren Ehemann liebt, zwar auch einige seiner Mängel sieht (sonst wäre sie zu sehr wie ein Trottel rübergekommen), ihm aber ehrlich und von Herzen zugetan ist – wobei ich den Leser (in diesem Fall die Cops, denn ich will unbedingt, dass sie das Tagebuch finden) dazu bringen möchte zu glauben, dass Nick tatsächlich geplant hat, mich umzubringen. Da sind so viele Hinweise auszupacken, so viele Überraschungen!
Nick hat sich immer über meine endlosen Listen lustig gemacht (»Es ist, als würdest du dafür sorgen, dass du nie zufrieden bist, dass es immer noch etwas gibt, was perfektioniert werden kann, statt einfach mal den Augenblick zu genießen.«). Aber wer ist hier der Sieger? Ich gewinne, weil meine Liste, die Meisterliste mit dem Titel Nick Dunne kann mich mal , einfach peinlich genau war – es war die komplexeste, sorgfältigste Liste, die jemals aufgestellt worden ist. Auf meiner Liste stand: Tagebucheinträge 2005 bis 2012 schreiben . Sieben Jahre Tagebucheinträge, nicht jeden Tag, aber mindestens zweimal pro Monat. Ist euch klar, wie viel Disziplin das erfordert? Wäre Cool Girl Amy dazu in der Lage? Die aktuellen Ereignisse jeder Woche zu recherchieren, sie mit meinen alten Terminkalendern gegenzuchecken, um sicherzugehen, dass ich nichts Wichtiges vergessen habe, und dann zu rekonstruieren, wie Tagebuch-Amy auf das jeweilige Ereignis reagiert hätte? Meistens hat es Spaß gemacht. Ich wartete, bis Nick in die Bar oder zu einem Rendezvous mit seinem Flittchen verschwunden war, dieser ständig SMS schreibenden, Kaugummi kauenden geistlosen Tusse mit ihren Acrylnägeln und den Sweathosen mit Logo auf dem Hintern (so ist sie sicher nicht, aber sie könnte so sein), und dann schenkte ich mir eine Tasse Kaffee ein oder machte eine Flasche Wein auf, suchte mir einen meiner zweiunddreißig Stifte aus und schrieb mein Leben ein bisschen um.
Es stimmt schon, dass ich Nick manchmal weniger hasste, während ich schrieb. Das kommt von der oberflächlichen Cool-Girl-Perspektive, da passiert so was leicht. Manchmal kam Nick nach Hause, nach Bier oder nach dem Desinfektionsmittel stinkend, mit dem er sich nach dem Sex mit dem Flittchen einrieb (was den Gestank aber nie ganz entfernte – sie muss eine ziemlich geile Muschi haben), lächelte mich schuldbewusst an, war nett und hatte seinen Hundeblick drauf, so dass ich beinahe dachte: Ich mach das alles doch lieber nicht. Aber dann stellte ich ihn mir mit seinem Flittchen vor, in ihrem Stripper-String, wie sie sich
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