GONE Hunger
nichts. Er verließ wortlos den Raum, verärgert und wütend, insgeheim aber auch froh, nicht länger blöde Fragen beantworten zu müssen.
Auf der Treppe nahm er immer zwei Stufen auf einmal, lief im Erdgeschoss grußlos an der Wache vorbei, die Edilio im Rathaus postiert hatte, gelangte ins Freie und rannte über die große Marmortreppe auf die Straße.
Dort begegnete er seinem Freund Quinn, der auf dem Weg zum McDonald’s war.
»Hey, Sam!«
»Weißt du, was dort abgeht?«
»Das ist ein Club«, antwortete Quinn grinsend. »Echt, Alter, du arbeitest zu viel. Den kennt jeder.«
Sam starrte ihn an. »Was?«
»Der McClub, Bruder. Alles, was du brauchst, sind ein paar Batterien oder Klopapier.«
Sam war sprachlos. Als er Quinn gerade auffordern wollte, ihn aufzuklären, kam Albert aus dem Gebäud e – im Anzug. Als er Sam erblickte, streckte er ihm die Hand entgegen.
Sam ignorierte sie. »Albert, was läuft hier?«
»Musik.«
»Wie bitte?«
»Die Leute tanzen.«
Quinn trat an Sam vorbei und schüttelte Alberts immer noch ausgestreckte Hand. »Hey, Albert, ich hab Batterien.«
»Schön, dass du da bist, Quinn.«
Quinn fuhr mit der Hand in seine Hosentasche und holte vier A-Batterien und drei D-Zellen hervor. Er hielt sie Albert hin, der einen Blick darauf warf, einverstanden war und sie in eine Plastiktüte zu seinen Füßen fallen ließ.
»Viel Spaß, Quinn«, sagte Albert und machte die Tür auf, um ihn einzulassen.
Sam wusste nicht, ob er empört sein oder laut lachen sollte. »Wer hat dir die Erlaubnis für den Club erteilt?«, fragte er.
Albert zuckte die Achseln. »Derselbe, der mir erlaubt hat, den McDonald’s weiterzuführen, bis uns die Burger ausgegangen sind. Niemand. Ich hab’s einfach gemacht.«
»Aber die Burger gab’s gratis. Jetzt müssen die Leute blechen. Das ist uncool, Albert.«
»Du willst einen Gewinn machen?« Astrid war mit dem kleinen Pete an der Hand zu ihnen getreten.
Albert betrachtete die beiden. »Ja. Als Zahlungsmittel nehme ich Batterien, Klopapier und Küchenrollen. Lauter Dinge, die uns früher oder später fehlen werden.«
»Versteh ich dich richtig? Du willst das Klopapier der ganzen Stadt einkassieren?« Astrid wurde laut. »Soll das ein Witz sein?«
»Nein, das ist kein Witz. Momentan spielen die Kids damit. Ich hab gesehen, wie sie in ihren Gärten mit ganzen Rollen um sich geworfen haben. Deshal b …«
»Deshalb willst du es ihnen wegnehmen?«
»Wäre es dir lieber, wenn es verschwendet wird?«
»Ja, das wäre mir tatsächlich lieber«, empörte sich Astrid. »Lieber, als dass du es bekommst.«
Albert blickte sie wütend an. »Darum geht’s doch überhaupt nicht! Jetzt wissen sie, dass sie damit in den Club reinkommen, und verschwenden es nicht mehr.«
»Und was passiert, wenn sie es brauchen?«, fauchte Astrid.
»Dann wird noch etwas da sein, weil ich dafür gesorgt habe.«
»Du bereicherst dich an Kindern, die nicht so klug sind wie du. Sam, du musst den Laden dichtmachen.«
Sam hatte der Musik gelauscht, aber jetzt klinkte er sich wieder in das Gespräch ein.
»Sie hat Recht. Albert, das ist nicht in Ordnung. Du hast dir keine Genehmigung geholt, geschweige denn gefragt, ob es okay ist, Eintritt zu verlangen.«
»Sam, ich kann nicht mal in Worte fassen, wie viel Respekt ich vor dir habe. Und Astrid, du bist hundertmal klüger als ich. Aber ich verstehe nicht, woher ihr das Recht nehmt, meinen Laden dichtzumachen.«
Jetzt reichte es Sam. »Ich bin der Bürgermeister. Ich wurde gewählt, erinnerst du dich? Und wenn ich mich nicht irre, hast du auch für mich gestimmt.«
»Ja, und ich würde es wieder tun. Aber was das hier betrifft, liegt ihr falsch. Dieser Club ist so ziemlich der einzige Ort, wo die Leute Spaß haben. Sonst sitzen sie traurig in ihren Häusern rum, sind hungrig und fürchten sich. Wenn sie tanzen, vergessen sie den Hunger und ihre Trauer. Ich tu hier was Gutes.« Sam funkelte ihn finster an, aber Albert sprach einfach weiter. »Sam, wie viele Melonen hat Edilio zurückgebracht? Ich meine, mit den Kids, die er zur Arbeit gezwungen hat?«
»Nicht viele«, gestand Sam.
»Orc hat dafür eine ganze Lastwagenladung Kohl geerntet, weil wir ihn dafür bezahlt haben.«
»Ja, weil er der jüngste Alkoholiker der Welt ist und du ihn mit Bier bestochen hast«, erwiderte Astrid. »Ich weiß, was du willst, Albert. Du willst hier alles an dich reißen. Aber ich sag dir eins: Wir leben in einer neuen Welt. Wir haben die Chance, es
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