GONE Verloren
von Scheinwerfern angestrahlte Kraftwerk wirkte geradezu lebendig, während die umliegenden Berge wie pechschwarze Riesen in den Himmel ragten.
»Was war das, Astrid?«, wollte Quinn wissen.
»Pete ist in Panik geraten.«
»Ja, den Teil hab ich kapiert«, entgegnete Quinn. »Aber was war das für ein Licht?«
»Keine Ahnung«, krächzte Sam.
»Warum hast du keine Luft mehr bekommen?«
»Ich hab mich bloß verschluckt.«
»An der Luft oder was?«
»Ich weiß es nicht, vielleicht bin ich im Schlaf gewandelt und hab mir was zu essen genommen und mich daran verschluckt.«
Das war lahm. An Quinns ungläubigem Blick und Edilios zweifelndem Gesichtsausdruck erkannte er, dass sie ihm seine Erklärung nicht abnahmen.
»Ja, so muss es gewesen sein«, sagte Astrid.
Das kam so unerwartet, dass nicht einmal Sam seine Überraschung verbergen konnte.
»Ich meine, wie sollte er sich denn sonst verschluckt haben? Und das Licht muss durch ein internes Alarmsystem ausgelöst worden sein.«
»Nichts für ungut, Astrid, aber das kaufe ich dir nicht ab«, sagte Edilio. Er stemmte die Hände in die Hüften, nahm Sam ins Visier und sagte: »Du sagst uns jetzt besser mal die Wahrheit. Ich hatte bisher immer Respekt vor dir. Aber wie soll ich dich respektieren, wenn du mich anlügst?«
Darauf war Sam nicht vorbereitet. Es war das erste Mal, dass sie Edilio wütend erlebten.
»Wovon redest du?«, fragte Sam ausweichend.
»Irgendwas läuft hier und es hat mit dir zu tun. Dieses Licht eben habe ich schon einmal gesehen. Nämlich kurz bevor ich dich aus dem brennenden Gebäude gezogen habe.«
Quinns Kopf fuhr herum. »Was?«
»Die Wand und die verpufften Leute sind längst nicht alles. Hier geht noch was ganz Seltsames ab. Sam, mit dir passiert irgendwas. Und mit Astrid auch. Sonst hätte sie nicht versucht, dich zu decken.«
Edilio hatte Recht. Astrid wusste etwas. Sam hütete hier nicht als Einziger ein Geheimnis. Das erleichterte ihn ungemein. Er musste es also nicht allein durchstehen.
»In Ordnung.« Sam holte tief Luft. Er würde ihnen alles erzählen.
»Ich weiß selbst nicht genau, was es ist, okay?« Sam sprach leise. »Ich hab auch keinen blassen Schimmer, wo es herkommt. Nicht einmal, wie es passiert. Ich weiß im Grunde nur, dass da manchmal … dieses … dieses Licht ist.«
»Was soll das heißen?«, fragte Quinn.
Sam hielt beide Hände hoch, kehrte die Handflächen nach vorne und richtete sie auf seinen Freund. »Ich kan n … Mann, das klingt jetzt völlig irre, aber manchmal schießt dieses Licht aus meinen Händen.«
Quinn lachte laut auf. »Nein, Sam, das klingt nicht irre. Es wäre irre, wenn du behaupten würdest, dass du im Surfen besser bist als ich. Was du da erzählst, ist geisteskrank. Los, zeig es mir!«
»Ich weiß nicht, wie«, gestand Sam. »Es ist vier Mal passiert, aber ich kann es nicht beeinflussen.«
»Du hast vier Mal Laserstrahlen aus deinen Händen abgefeuert?« Quinn war zugleich zum Lachen und Schreien zumute. »Wie lange kenne ich dich schon? Mein halbes Leben lang? Und jetzt willst du mir weismachen, dass du Licht hervorzaubern kannst? Ja?«
»Es ist wahr«, sagte Astrid.
»Quatsch! Wenn es wahr ist, kann er’s mir doch auch beweisen.«
»Ich versuche schon die ganze Zeit, dir zu erklären, dass es nur passiert, wenn ich in Panik gerate. Ich lasse es nicht passieren. Es passiert von selbst.«
»Gerade hast du vier Mal gesagt«, meldete sich Edilio wieder zu Wort. »Ich habe den Lichtblitz bei dem Brand gesehen und vor ein paar Minuten. Was ist mit den anderen beiden Malen?«
»Das war bei mir zu Hause. Es … ich meine, ich machte … dieses Licht. Wie so eine Art Glühbirne. Es war dunkel. Ich hatte einen Albtraum.« Er bemerkte Astrids ruhigen Blick und plötzlich ging ihm ein Licht auf. »Du hast es gesehen«, warf er ihr vor. »Du hast das Licht in meinem Zimmer gesehen. Du weißt schon die ganze Zeit davon.«
»Ja«, gestand sie. »Ich weiß es, seit wir bei dir waren. Und über Pete weiß ich sehr viel länger Bescheid.«
Edilio war noch nicht zufrieden. »Der Brand, dieses Licht eben, die Glühbirne – das waren erst drei Mal.«
»Es begann mit Tom«, fuhr Sam fort.
Der Name sagte Edilio gar nichts, Quinn aber schon.
»Dein Stiefvater?«, fragte Quinn scharf. »Ich meine, dein Exstiefvater?«
»Ja.«
Quinn sah Sam eindringlich an. »Mann, bitte sag mir, dass jetzt nicht das kommt, was ich glaube!«
»Ich dachte, er wollte meiner Mom wehtun«, begann Sam.
Weitere Kostenlose Bücher